Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 8
Kauft die übernehmende Personengesellschaft oder die übernehmende natürliche Person Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag oder findet sie einen Anteilsinhaber erst danach ab, so ist der Übernahmegewinn oder -verlust nach § 5 Abs. 1 UmwStG so zu ermitteln, als habe sie diese Anteile bereits am steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft.
Rz. 9
Zweck dieser Regelung ist es sicherzustellen, dass auch ein nachträglicher Erwerb von Anteilen in den eingeschränkten Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 4 UmwStG (vgl. § 4 Rz. 24) auf den steuerlichen Übertragungsstichtag einbezogen wird. Diese Regelung ist vergleichbar mit der Rechtsprechung zu einer nachträglichen Veränderung des Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils infolge einer nachträglichen Erhöhung oder Verminderung des Kaufpreises. Dem ist ggf. durch eine Änderung der Veranlagung für das Veräußerungsjahr nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO Rechnung zu tragen, da es sich — ähnlich dem § 4 Abs. 4 UmwStG — auch hier um eine stichtagsbezogene Gewinnermittlung handelt.
Rz. 10
Ein Anteilserwerb kann schon deswegen in die Zeit nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag fallen, weil sich dieser Zeitpunkt nach § 20 Abs. 8 UmwStG um höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister zurückverlegen lässt (vgl. § 20 Rz. 62 ff.). Oder ein im Verschmelzungsvertrag enthaltenes Abfindungsangebot nach § 29 UmwG wird erst binnen der Zweimonatsfrist des § 31 UmwG nach der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister angenommen.
Rz. 11
Unproblematisch ist es allerdings, die Fälle unter § 5 Abs. 1 UmwStG zu subsumieren, in denen die übernehmende Personengesellschaft einen Anteil an der übertragenden Kapitalgesellschaft nach dem Übertragungsstichtag von einem Dritten erwirbt, der nicht Gesellschafter der Übernehmerin ist. Der Erwerb wird mit den Anschaffungskosten bzw. dem Abfindungsbetrag zur Ermittlung des Übernahmegewinns oder -verlusts auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zurückbezogen; dieser Wert wird dem anteiligen Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter gegenübergestellt.
Rz. 12
§ 5 Abs. 1 UmwStG ist aber auch bei einem Erwerb von Anteilen durch die übernehmende Personengesellschaft von einem ihrer Gesellschafter nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag anwendbar, der die Anteile bisher in seinem Betriebsvermögen gehalten hatte. Dies setzt allerdings voraus, dass diese Anteile nicht schon am steuerlichen Übertragungsstichtag zu seinem inländischen Betriebsvermögen gehört hatten. Anderenfalls greift bereits die Einlagefiktion des § 5 Abs. 3 UmwStG ein (vgl. Rz. 21 ff.). Aber auch wenn die vom Gesellschafter an die übernehmende Personengesellschaft entgeltlich veräußerten Anteile an der übertragenden Körperschaft bisher zu seinem Privatvermögen gehört hatten, ist ein Anschaffungsgeschäft i. S. v. § 5 Abs. 1 UmwStG anzunehmen.
Rz. 13
Eine Anschaffung i. S. v. § 5 Abs. 1 UmwStG ist auch dann gegeben, wenn ein Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft bisher in seinem Privatvermögen gehaltene Anteile in das Betriebsvermögen der Übernehmerin im Tausch gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag einlegt. Hingegen fehlt es an einem Anschaffungsgeschäft bei einer verdeckten Einlage nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag. Eine Einlage einer Beteiligung i. S. v. § 17 EStG fällt unter § 5 Abs. 2 UmwStG. Andere Anteile nehmen nicht an der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 4 UmwStG teil.
Rz. 14
§ 5 Abs. 1 UmwStG ist schließlich auch auf einen Erwerb eines Gesellschafters der Personengesellschaft anwendbar, durch den Anteile an der übertragenden Körperschaft nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag in sein eigenes Betriebsvermögen oder sein Sonderbetriebsvermögen gelangen. Denn für diese Anteile gilt die Fiktion des § 5 Abs. 3 Satz 1 UmwStG.
Rz. 15
Wer Anteile an der übertragenden Personengesellschaft an Dritte, also nicht an die übernehmende Personengesellschaft und auch nicht an einen Gesellschafter in der Zeit zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Eintragung in das Handelsregister veräußert, nimmt an der Rückwirkungsfiktion nach § 2 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 UmwStG nicht teil. Seine Besteuerung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Er hat den Gewinn aus einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung unter den Voraussetzungen der §§ 17, 23 EStG und des § 21 UmwStG zu versteuern. Auch Leistungsentgelte, die der Veräußerer aufgrund schuldrechtlicher Leistungsbeziehungen erhalten hat, z. B. Geschäftsführergehälter, Mieten oder Zinsen, werden nach den allgemeinen Vorschriften versteuert.