Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 23
Falls ein Übernahmefolgegewinn entsteht, räumt § 6 Abs. 1 UmwStG der übernehmenden Personengesellschaft oder natürlichen Person ein Wahlrecht ein, entweder den Übernahmefolgegewinn im Wirtschaftsjahr seiner Entstehung, d. h. im Wirtschaftsjahr, in das die Verschmelzung fällt, zu versteuern oder in diesem Jahr eine Gewinn mindernde Rücklage zu bilden.
Für jeden einzelnen Vorgang einer Vereinigung von Forderung und Schuld kommt eine gesonderte Rücklage mit eigenem Schicksal in Betracht. Die Rücklage muss nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 1 UmwStG nicht über den vollen Übernahmefolgegewinn gebildet werden. Dies ist auch wegen eines Teilbetrags möglich. Eine Personengesellschaft muss als Gewinnermittlungssubjekt die Rücklage einheitlich bilden. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Rücklage ist nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG ihre Bildung in der Handelsbilanz.
Rz. 24
Entsteht ein Übernahmefolgegewinn bei einem Gesellschafter etwa infolge Untergangs einer Schuld von ihm oder infolge Auflösung einer bei ihm gebildeten Rückstellung (vgl. Rz. 34 f.), so ist die Rücklage in seiner Sonderbilanz zu bilden. Die hierfür maßgebliche Bilanz ist grundsätzlich die auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgende Bilanz. Dies gilt auch dann, wenn eine Kapitalgesellschaft auf eine erst zu errichtende Personengesellschaft umgewandelt wird. Die für die Rücklage maßgebliche Bilanz ist dann die auf die Eröffnungsbilanz folgende. Denn der Übernahmefolgegewinn oder -verlust entsteht erst eine logische Sekunde nach dem steuerlichen Übertragungszeitpunkt.
Rz. 25
Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 1 UmwStG ist nicht auf eine Übernehmerin beschränkt, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt. Ermittelt die Übernehmerin ihren Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, so setzt sie im Jahr der Entstehung des Übernahmefolgegewinns ihren Gewinn in voller Höhe ab, der sich infolge der Hinzurechnung einer untergehenden Schuld oder der Abrechnung einer untergehenden Forderung ergeben hat.
Rz. 26
Die Rücklage i. S. v. § 6 Abs. 1 UmwStG ist nach Satz 2 dieser Vorschrift sodann in den auf ihre Bildung folgenden drei Wirtschaftsjahren jeweils um mindestens ein Drittel Gewinn erhöhend aufzulösen. Diese Regelung hat zur Folge, dass die Übernehmerin in dem Wirtschaftsjahr, in das der steuerliche Übertragungsstichtag fällt, keinen Übernahmefolgegewinn zu versteuern hat. Stattdessen wird der Übernahmefolgegewinn in die folgenden drei Wirtschaftsjahre verlagert. In dem Wirtschaftsjahr des steuerlichen Übertragungszeitpunktes ist die Übernehmerin auf ihre Steuerpflicht mit dem Übernahmegewinn i. S. v. § 4 Abs. 4 UmwStG beschränkt.
Rz. 27
Wenn die Rücklage i. S. v. § 6 Abs. 1 UmwStG nach Satz 2 dieser Vorschrift in den auf ihre Bildung folgenden drei Wirtschaftsjahren um mindestens je ein Drittel aufgelöst werden muss, so bedeutet dies, dass die Übernehmerin sie auch schneller, d. h. mit einem höheren Betrag, auflösen kann. Falls im ersten auf die Verschmelzung folgenden Wirtschaftsjahr der Gewinn unter Auflösung der Rücklage um einen höheren Betrag als ein Drittel der Rücklage erhöht wird, so muss dennoch im zweiten Wirtschaftsjahr mindestens ein Drittel der Rücklage aufgelöst werden. Im dritten Wirtschaftsjahr kann dann u. U. weniger als ein Drittel zur Auflösung übrig bleiben.
Der übernehmenden Personengesellschaft ist im Jahr 0, dem Jahr der Verschmelzung, ein Übernahmefolgegewinn von 30.000 EUR entstanden. Die Personengesellschaft bildet in ihrer Bilanz auf den 31.12. des Jahres 0 eine Gewinn mindernde Rücklage von 30.000 EUR. Zum Ende des Jahres 01 löst sie die Rücklage in Höhe von 15.000 EUR, damit zu mehr als einem Drittel, Gewinn erhöhend auf, um einen in diesem Jahr entstandenen Verlust auszugleichen. Auf das Ende des Jahres 02 löst sie die Rücklage mit dem in § 6 Abs.1 Satz 2 UmwStG vorgeschriebenen Drittel von 10.000 EUR auf. Für das Jahr 03 bleibt dann noch ein Restbetrag der Rücklage in Höhe von 5.000 EUR Gewinn erhöhend aufzulösen.
Auch die Wahl der Höhe des aufzulösenden Betrages der Rücklage hat nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG) in der Handelsbilanz zu erfolgen.