4.4.3.1 Allgemeines
Rz. 176
Das Bewertungswahlrecht des Einbringenden für einen qualifizierten Anteilstausch setzt voraus, dass
- entweder das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile im Vergleich zum deutschen Besteuerungsrecht an den eingebrachten Anteilen vor der Einbringung weder ausgeschlossen noch beschränkt ist (S. 3 Nr. 1) oder
- der Gewinn aus dem Anteilstausch aufgrund Art. 8 der Fusionsrichtlinie nicht besteuert werden darf (S. 3 Nr. 2) und
- der Einbringende einen Antrag stellt.
Rz. 177
Die erste Voraussetzung kann sich nur auf die Fälle des § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG beziehen, in denen das deutsche Besteuerungsrecht nur an den eingebrachten Anteilen und nicht auch bzw. nur an den erhaltenen Anteilen durch die Einbringung ausgeschlossen oder beschränkt wurde. Die etwas schwer lesbare Gesetzesformulierung war wohl notwendig, um auch in den Fällen, in denen das deutsche Besteuerungsrecht nur an den erhaltenen Anteilen ausgeschlossen oder beschränkt wurde und die Fusionsrichtlinie eine Steuerneutralität vorgibt, den treaty override gesetzestechnisch zu verankern.
Rz. 178
Im Ergebnis besteht das originäre Bewertungswahlrecht des Einbringenden mithin in folgenden drei Fallkonstellationen des qualifizierten Anteilstauschs:
- Ausschluss/Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den eingebrachten und an den erhaltenen Anteilen, aber Anwendung des Art. 8 der Fusionsrichtlinie (S. 3 Nr. 2), z. B. bei der Einbringung von mehrheitsvermittelnden Anteilen an einer französischen Kapitalgesellschaft durch einen in Deutschland Ansässigen in eine tschechische Kapitalgesellschaft;
- Ausschluss/Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nur an den eingebrachten Anteilen, unabhängig von der Anwendbarkeit des Art. 8 der Fusionsrichtlinie (S. 3 Nr. 1, ggf. auch S. 3 Nr. 2), z. B. bei der Einbringung von mehrheitsvermittelnden Anteilen an einer französischen Kapitalgesellschaft durch eine in Deutschland ansässige Person in eine österreichische Kapitalgesellschaft;
- Ausschluss/Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nur an den erhaltenen Anteilen, aber Anwendung des Art. 8 der Fusionsrichtlinie (S. 3 Nr. 2) z. B. bei der Einbringung von mehrheitsvermittelnden Anteilen an einer deutschen Kapitalgesellschaft durch eine in Deutschland ansässige Person in eine tschechische Kapitalgesellschaft.
Rz. 179
In den Fällen, in denen sowohl die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UmwStG als auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 UmwStG erfüllt sind, weil das Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und weil der Anteilstausch nach Art. 8 der Fusionsrichtlinie nicht besteuert werden darf, handelt es sich vorrangig um einen Fall des § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UmwStG mit der Folge, dass im Zweifelsfall das erweiterte Besteuerungsrecht nach § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Hs. 2 UmwStG nicht zur Anwendung kommt.
4.4.3.2 Kein Ausschluss und keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den erhaltenen Anteilen (§ 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UmwStG)
Rz. 180
Allein aus dem Wortlaut "wenn das Recht … nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist", könnte auch hier auf eine statische Betrachtung des Besteuerungsrechts im Zeitpunkt der Einbringung geschlossen werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung kommt es aber auch hier wohl unstreitig auf eine vergleichende Betrachtung des Besteuerungsrechts an den erhaltenen Anteilen im Zeitpunkt nach der Einbringung und des Besteuerungsrechts an den eingebrachten Anteilen im Zeitpunkt vor der Einbringung an.
Rz. 181
Daher kommt es auch hier darauf an, ob die erhaltenen Anteile einer höheren Beschränkungsstufe unterliegen als die eingebrachten Anteile im Zeitpunkt vor der Einbringung. Ist dies nicht der Fall, ist die Voraussetzung erfüllt.
Rz. 182 einstweilen frei
4.4.3.3 Besteuerungsverbot aufgrund Art. 8 der Fusionsrichtlinie (§ 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 UmwStG)
4.4.3.3.1 Allgemeines
Rz. 183
Ein Bewertungswahlrecht steht dem Einbringenden auch dann zu, wenn die Voraussetzungen des Art. 8 der Fusionsrichtlinie erfüllt sind. Sollte der Einbringende das Bewertungswahlrecht in Anspruch nehmen, dann wird nach § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Hs. 2 UmwStG der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile ungeachtet eines etwaigen DBA so besteuert, wie der Gewinn aus einer Veräußerung der eingebrachten Anteile besteuert worden wäre. Gemäß § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Hs. 3 UmwStG werden der späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile andere Vorgänge, wie die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft, gleichgestellt.
4.4.3.3.2 Anwendungsbereich des Art. 8 der Fusionsrichtlinie (§ 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Hs. 1 UmwStG)
Rz. 184
Nach Art. 8 Abs. 1, 3 der Fusionsrichtlinie darf der Anteilstausch unter den weiteren Voraussetzungen der Fusionsrichtlinie auf der Ebene des Einbringenden keine Besteuerung eines Veräußerungsgewinns auslösen. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 UmwStG tatsächlich nur auf die Sachverhalte beschränken möchte, die insgesamt in den Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie fallen.
Rz. 185
Folgende Voraussetzungen müssen bei einem Anteilstausch i. S. d. Fusionsrichtlinie kumulativ erfüllt sein: