4.4.3.3.1 Allgemeines
Rz. 183
Ein Bewertungswahlrecht steht dem Einbringenden auch dann zu, wenn die Voraussetzungen des Art. 8 der Fusionsrichtlinie erfüllt sind. Sollte der Einbringende das Bewertungswahlrecht in Anspruch nehmen, dann wird nach § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Hs. 2 UmwStG der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile ungeachtet eines etwaigen DBA so besteuert, wie der Gewinn aus einer Veräußerung der eingebrachten Anteile besteuert worden wäre. Gemäß § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Hs. 3 UmwStG werden der späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile andere Vorgänge, wie die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft, gleichgestellt.
4.4.3.3.2 Anwendungsbereich des Art. 8 der Fusionsrichtlinie (§ 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Hs. 1 UmwStG)
Rz. 184
Nach Art. 8 Abs. 1, 3 der Fusionsrichtlinie darf der Anteilstausch unter den weiteren Voraussetzungen der Fusionsrichtlinie auf der Ebene des Einbringenden keine Besteuerung eines Veräußerungsgewinns auslösen. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 UmwStG tatsächlich nur auf die Sachverhalte beschränken möchte, die insgesamt in den Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie fallen.
Rz. 185
Folgende Voraussetzungen müssen bei einem Anteilstausch i. S. d. Fusionsrichtlinie kumulativ erfüllt sein:
An der Einbringung müssen Gesellschaften aus zwei verschiedenen EU-Mitgliedstaaten beteiligt sein (Art. 1 Buchst. a der FRL).
1. |
Nach der Fusionsrichtlinie gilt jede Gesellschaft als Gesellschaft eines EU-Mitgliedstaats, wenn sie nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats als in diesem Mitgliedstaat und nicht aufgrund eines DBA mit einem dritten Staat als außerhalb der Gemeinschaft ansässig angesehen wird (Art. 3 Buchst. b der FRL). Da auch nach der Fusionsrichtlinie an die Person des Einbringenden keine persönlichen Anwendungsvoraussetzungen geknüpft werden, sind es die erworbene und die übernehmende Gesellschaft, die in zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sein müssen. |
Es muss sich um einen qualifizierten Anteilstausch handeln und der Einbringende darf neben den neuen Anteilen nur eine bare Zuzahlung von nicht mehr als 10 % des Nennwerts der neuen Anteile erhalten (Art. 2 Buchst. e FRL).
2. |
Der Begriff "bare Zuzahlungen" kann hier wohl weit ausgelegt werden, sodass damit alle sonstigen gewährten Gegenleistungen, insbesondere die Übernahme einer Verbindlichkeit oder Gewährung einer Forderung, erfasst sein sollten. Um ganz sicherzugehen, könnte sonst zunächst tatsächlich eine Zuzahlung in "bar" vereinbart werden. |
Rz. 186
Der Anwendungsbereich umfasst daher lediglich folgende Fallkonstellation: Ein Einbringender bringt mehrheitsvermittelnde Anteile an einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft in eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft ein und erhält bare Zuzahlungen von nicht mehr als 10 % des Nennwerts der erhaltenen Anteile.
Rz. 187
Nicht in den Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie fallen daher insbesondere:
- die Einbringung von Anteilen an in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaften;
- die Einbringung von Anteilen an einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft in eine in dem gleichen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft;
- die Gewährung auch sonstiger Gegenleistungen, deren gemeiner Wert 10 % des Nennwerts der erhaltenen Anteile übersteigt;
- die Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft eines "bloßen" EWR-Mitgliedstaats;
- die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft eines "bloßen" EWR-Mitgliedstaats.
Rz. 188
Der sich aus der Beachtung der Fusionsrichtlinie ergebende Ausschluss der "bloßen" EWR-Gesellschaften als übernehmende oder erworbene Gesellschaften verstößt allerdings gegen die Grundfreiheiten des EWR-Abkommens. Dies sieht die Finanzverwaltung wohl auch so, da sie in der Lösung zu einem Beispiel eine EWR-Ansässigkeit als ausreichend erachtet.
4.4.3.3.3 Erweitertes Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen bei Buchwert- oder Zwischenwertansatz (§ 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Hs. 2, 3 UmwStG)
Rz. 189
Sofern die Voraussetzungen der Fusionsrichtlinie erfüllt sind und der Einbringende einen Antrag auf Ansatz des Buch- oder eines Zwischenwerts als Veräußerungspreis bzw. Anschaffungskosten gestellt hat, ist der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile ungeachtet der Bestimmungen eines DBA so zu besteuern, wie die Veräußerung der eingebrachten Anteile vor der Einbringung zu besteuern gewesen wäre.
Rz. 190
§ 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 UmwStG erfasst von vornherein nur die Fälle, in denen das Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen gegenüber dem Besteuerungsrecht an den eingebrachten Anteilen im Zeitpunkt vor der Einbringung ausgeschlossen oder beschränkt wurde. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich der Ausschluss bzw. die Beschränkung grundsätzlich sowohl aus einem DBA als auch bereits aus dem nat...