Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 38
Der geänderten BFH-Rechtsprechung ist zuzustimmen. Es erscheint widersprüchlich, dass einerseits Kfz-Kosten, Aufwendungen für ein Flugzeug oder Telefongebühren in einen betrieblich (beruflich) und einen privat veranlassten Teil aufteilbar waren, andererseits aber bei Aufwendungen für ein Tonbandgerät oder eine Schreibmaschine, ein Fernsehgerät, einen Konzertflügel, ein Nachschlagewerk oder auch für Zeitschriften und ein Radiogerät bei eindeutig beruflich veranlasster Mitnutzung eine Aufteilung nicht zulässig sein sollte. Es erscheint auch kaum erklärbar, weshalb beim Bezug einer Tageszeitung zu betrieblichen (beruflichen) Zwecken die Bezugsgebühren insgesamt nicht abziehbar waren, dass die Ausgaben aber dann voll abgezogen werden konnten, wenn der Stpfl. dieselbe Zeitung zweifach – einmal für seine Wohnung und zum anderen für seinen Betrieb etwa zum Lesen für Kunden oder Arbeitnehmer – bezog. In der Entscheidung zur Verneinung der Abziehbarkeit der Aufwendungen für die Anschaffung eines allgemeinen Nachschlagewerks (Brockhaus-Enzyklopädie) durch einen Deutschlehrer ist gar ausgeführt, ein Buch, das keine Fachliteratur darstelle, könne u. U. zum Arbeitsmittel werden, wenn der Stpfl. das gleiche Buch zweimal besitze.
Ähnliche Ungereimtheiten ergaben sich bei Gegenüberstellung von zur Abziehbarkeit von Bekleidungsaufwendungen ergangenen Entscheidungen. So wurde nicht nur der schwarze Anzug eines Leichenbestatters als typische Berufskleidung mit der Folge der Abziehbarkeit der entstandenen Aufwendungen angesehen. Auch die Aufwendungen für die Anschaffung, Reinigung und Instandhaltung eines schwarzen Anzugs bei einem Oberkellner wurden als Werbungskosten anerkannt, nicht aber dessen Ausgaben für Hemden, Krawatten und schwarze Schuhe. Mit den vom BFH zugelassenen Ausnahmen vom – früher in Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG interpretierten – Aufteilungs- und Abzugsverbot ließ sich diese unterschiedliche Sachbehandlung kaum erklären. Denn auch bei der Aufteilung der Kfz-Kosten, der Flugzeugaufwendungen und der Telefongebühren fehlt es im Allgemeinen an einer nach objektiven Merkmalen und Unterlagen zutreffenden und leicht nachprüfbaren Trennbarkeit, insbesondere wenn man die anfallenden Fixkosten (z. B. die AfA des Pkw, die Telefongrundgebühr, Versicherungen usw.) betrachtet.
Mehrere Entscheidungen des BFH zeigten, dass der BFH das Aufteilungs- und Abzugsverbot selbst als ungerecht empfand und die von ihm aufgestellten Grundsätze gelegentlich unbeachtet gelassen hat. Z. B. ließ der BFH die außergewöhnlich hohen Aufwendungen einer freiberuflich tätigen Sängerin für die Anschaffung und Reinigung von Kleidung, für Friseur und Kosmetika im Weg der Schätzung i. H. v. 20 % zum Abzug zu und führte aus, das Verbot könne aus Gründen der Steuergerechtigkeit dann nicht gelten, wenn es zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Ausnahmsweise kam danach ein Abzug eines Teils der geltend gemachten Aufwendungen in Betracht, weil die Anwendung des Aufteilungs- und Abzugsverbots im Streitfall nicht nur über seinen Sinn und Zweck hinausgreifen, sondern auch gegen das Gebot der materiellen Steuergerechtigkeit und damit gegen ein höheres Rechtsprinzip verstoßen würde.
Rz. 39
Das Regel-Ausnahme-Verhältnis hat sich im Ergebnis durch die Entscheidung des Großen Senats nunmehr in dem Sinne umgekehrt, dass eine Aufteilbarkeit grundsätzlich anzunehmen ist, soweit ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab feststellbar ist, also generell gerade nicht von einem Abzugsverbot auszugehen ist. Auch nach der geänderten Rechtsprechung des BFH ist eine Aufteilung "gemischter" Aufwendungen nicht zulässig und der (teilweise) Abzug von Erwerbsaufwendungen weiterhin unzulässig, und zwar, wenn
- die berufliche oder betriebliche Veranlassung von nur untergeordneter Bedeutung ist,
- die beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge so ineinander greifen, dass eine Trennung nicht möglich ist, weil es an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung fehlt.
- es sich um grds. nicht abziehbare und nicht aufteilbare unverzichtbare Aufwendungen für die Lebensführung handelt, die sich nur theoretisch aufteilen ließen und durch die Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum abgegolten sind (u. U. i. V. m. den Vorschriften über die Berücksichtigung als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen, vgl. Rz. 17).