Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 145
Hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr einen Vermögensvorteil erlangt, ordnet das Strafgericht nach § 73 StGB dessen Verfall an, es sei denn, dem Verletzten ist aus der Tat ein Anspruch erwachsen, dessen Erfüllung den aus der Tat erlangten Vermögensvorteil beseitigen oder mindern würde. Die Anordnung des Verfalls erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen und auf Wertersatz. Die Rechtsnatur des Verfalls, der auch gegenüber ohne Schuld handelnden Tätern und unbeteiligten schuldlosen Dritten angewendet werden kann, ist im Einzelnen umstritten. Mit der Anordnung des Verfalls sollen dort, wo zivilrechtliche Ersatzansprüche des Geschädigten fehlen, im Weg eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs die durch eine rechtswidrige Tat erlangten Vermögensvorteile beim illegitimen Empfänger abgeschöpft werden. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob die Anordnung überwiegend Strafcharakter hat oder lediglich einen Ausgleich für einen rechtswidrig erlangten Vermögensvorteil schaffen soll. Beim Verfall von Bestechungsgelder, Agentenlohn oder Gegenständen dürfte regelmäßig der Ausgleich der rechtswidrig erlangten Vermögensvorteile im Vordergrund stehen, sodass der Strafcharakter in den Hintergrund tritt. Der Verfall spielt insbesondere bei Delikten der Wirtschafts- und Umweltkriminalität, bei Taten nach dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln, dem Arzneimittelgesetz (AMG), dem Kriegswaffengesetz (KriegsWaffG) und bei der Geldfälschung eine bedeutende Rolle. Nach BFH v. 21.10.1986 hat der Verfall nach § 29 OWiG, §§ 73ff. StGB oder die Abführung des Mehrerlöses nach § 8 WiStG grundsätzlich keinen Sanktionscharakter; der Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten ist möglich. Nach BFH v. 6.4.2000, IV R 31/99, BStBl II 2001, 536 hat der Verfall nach dem bis 1991 geltenden Nettoprinzip (Abschöpfung lediglich des Nettovermögenszuwachses) keinen Strafcharakter. Musste der Stpfl. damit rechnen, dass ihm gegenüber der Verfall angeordnet wird, war daher bis Vz 1991 die Bildung einer entsprechenden Rückstellung möglich, z. B. wenn er mit der Abführung des Gewinns aus Rauschgifthandel rechnen muss. Fraglich ist, ob nach dem seit 1992 geltenden Bruttoprinzip (Verfall des Gesamterlöses) der Strafcharakter überwiegt. Der Gesetzgeber hat die Vorschriften über den Verfall durch Gesetz v. 28.2.1992 in der Weise geändert, dass sich der Begriff des Vermögensvorteils auf die Gesamtheit des Erlangten bezieht, und damit den Übergang zum Bruttogewinnprinzip vollzogen. Der Rechtsgedanke des § 817 S. 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiderbringlich verloren ist, sollte dadurch auch beim Verfall Anwendung finden. Diese Wirkung bewirkt indes m. E. nicht, dass der Strafcharakter die Abschöpfungsfunktion des Verfalls i. S. d. Nr. 4 "überwiegt". § 12 Nr. 4 EStG gilt für den Verfall daher weiterhin nicht. Da eine Abschöpfung letztlich dazu führt, dass kein wirtschaftlicher Vorteil beim Stpfl. verbleibt, würde eine anderweitige Sichtweise auch gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen.