Rz. 155

Das in § 12 Nr. 4 EStG normierte Abzugsverbot setzt nicht voraus, dass die Geldstrafen bzw. die übrigen Maßnahmen mit Strafcharakter i. S. d. § 12 Nr. 4 EStG von einem Gericht der Bundesrepublik Deutschland verhängt worden sind. Wie sich auch aus dem Umkehrschluss aus § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 EStG (Abzugsverbot nur für die im Inland verhängten Geldbußen usw.) ergibt, fallen unter das Abzugsverbot vielmehr auch Sanktionen mit Strafcharakter, die von einem ausländischen Gericht oder einer ausländischen Stelle verhängt worden sind.[1]

 

Rz. 155a

Bei im Ausland verhängten Sanktionen ist wegen der Abziehbarkeit im Rahmen der Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder (§ 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG) zu prüfen, ob eine Maßnahme, selbst wenn sie als Strafe bezeichnet ist, tatsächlich Strafcharakter trägt oder ob sie in ihrer Bedeutung mehr einer Geldbuße gleichzustellen ist. Unter einer Strafe oder strafähnlichen Sanktion i. S. d. Nr. 4 kann nur eine Geldleistung verstanden werden, die nach Art und Höhe unmittelbar an der Schuld des Täters ausgerichtet ist, d. h. diesen höchstpersönlich treffen soll, um von ihm als Übel empfunden zu werden. Eine Strafmaßnahme ist nicht in erster Linie auf das Sachpotenzial einer Deliktshandlung, wie etwa den daraus gezogenen Vermögensvorteil, ausgerichtet, sondern auf den Täter, zunächst unabhängig vom Taterfolg.[2] Im Einzelfall können Parallelen zu den Sanktionen gem. § 12 Nr. 4 EStG hilfreich sein.

 

Rz. 156

Das Abzugsverbot für von ausländischen Stellen verhängte Sanktionen für eine Tat, die im Zusammenhang mit einer gewerblichen Betätigung begangen wurde, gilt nicht, wenn die Geldstrafe oder sonstige von dem ausländischen Gericht verhängte Maßnahmen wesentlichen Grundsätzen der inländischen Rechtsordnung (ordre public) widersprechen. FA und FG haben insoweit das ausländische Urteil zu überprüfen. Diese Prüfung erstreckt sich sowohl auf das dem ausländischen Urteil vorangegangene Verfahren einschließlich der Tatsachenfeststellung als auch auf die Urteilsfindung selbst. Dabei ist von den tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Gerichts auszugehen, soweit diese verfahrensrechtlich ohne Verletzung fundamentaler Prinzipien des deutschen Prozessrechts getroffen sind. Entscheidend ist, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts vom Standpunkt des deutschen Rechts zu missbilligen ist; es kommt nicht darauf an, ob das ausländische Gesetz auf den gleichen Prinzipien wie das entsprechende deutsche beruht.[3] Entscheidend ist also, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts nach deutschem Rechtsverständnis also so sehr in Widerspruch zu den Grundgedanken des deutschen Rechts und den ihm zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen steht, dass es aus deutscher Sicht untragbar erscheint.[4] Widerspricht die von einem ausländischen Gericht verhängte Geldstrafe dem deutschen ordre public, kann sie als Erwerbsaufwand abgezogen werden, wenn sie für eine Tat verhängt wurde, die in Zusammenhang mit einer Betätigung im Bereich der Einkunftsarten begangen wurde.[5]

[1] Bordewin, FR 1984, 405, 411.
[2] Tanzer, in Söhn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre im Einkommensteuerrecht, 227, 257.
[3] BFH v. 31.7.1991, VIII R 89/86, BStBl II 1992, 85, Verurteilung wegen Wirtschaftsspionage in Polen.
[4] BFH v. 31.7.1991, VIII R 89/86, BStBl II 1992, 85; Bordewin, FR 1984, 405 (411); vgl. auch BT-Drs. 10/1314, 6f. und R 12.3 EStR.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge