Rz. 291
Aufgrund der Aufgabe der Gepräge-Rspr. hat der Gesetzgeber mit Einfügung des Abs. 3 Nr. 2 in § 15 EStG reagiert. Mit dieser Gesetzesänderung ist die vormalige Rechtslage von Gesetzes wegen wieder eingeführt worden. Demnach gilt die Tätigkeit der dort näher definierten gewerblich geprägten Personengesellschaften auch dann als Gewerbebetrieb, wenn sie nicht originär gewerblich tätig sind, also keine Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG erzielen. Die Prägung beginnt mit der Eintragung im Handelsregister und endet mit ihr.
Die Fiktion gilt allerdings nur für die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit. Eine Tätigkeit, die ohne Einkünfteerzielungsabsicht, also als sog. Liebhaberei (Rz. 61ff.), ausgeübt wird, wird von der Regelung nicht erfasst. Dabei genügt es, wenn bei Unterstellung einer gewerblichen Prägung ein Totalgewinn zu erwarten wäre. Diese Einschränkung ist insb. von Bedeutung für Abschreibungsgesellschaften.
Rz. 292
Eine Personengesellschaft ist gewerblich geprägt, wenn an ihr ein oder mehrere Kapitalgesellschaften als persönlich haftende Gesellschafter beteiligt sind und nur diese (oder Nicht-Gesellschafter) zur Geschäftsführung befugt sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG). Die gewerblich geprägte Personengesellschaft steht insoweit einer Kapitalgesellschaft gleich, als dass sie selbst persönlich haftender Gesellschafter einer anderen gewerblich geprägten Personengesellschaft ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 EStG).
Die Verwendung des Begriffs "Personengesellschaft" in § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG spricht dafür, dass neben den Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) auch die GbR und die Partnerschaftsgesellschaft in den Anwendungsbereich einzubeziehen sind. Ebenso gilt dies für die Innengesellschaften, wie etwa die stille Gesellschaft sowie ausl. Rechtsformen, die nach dem Typenvergleich für deutsch-steuerrechtliche Zwecke eine Personengesellschaft darstellen. Eine Schein-KG (also eine fälschlich ins Handelsregister eingetragene GbR) fiel früher ebenfalls unter den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG; sie ist heute jedoch nicht mehr denkbar, da die Handelsregistereintragung gem. §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB in solchen Fällen konstitutiv wirkt und damit zwingend eine "echte" KG herbeiführt. Eine vermögensverwaltende Stiftung & Co. KG ist nicht als gewerblich geprägte Personengesellschaft anzusehen.
Persönlich haftender Gesellschafter ist, wer nach zivilrechtlichen Maßstäben (z. B. gem. § 128 S. 1 HGB) den Gläubigern der Gesellschaft mit seinem Privatvermögen haftet. Der Begriff "Kapitalgesellschaft" erfasst die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten KSt-Subjekte. Dies gilt denn auch für ausl. Kapitalgesellschaften.
Rz. 293
Die Gütergemeinschaft kann naturgemäß nur unter natürlichen Personen (Eheleuten) vereinbart werden (§§ 1303ff., 1415 BGB), sie kommt nicht als gewerblich geprägte Personengesellschaft in Betracht. Entsprechendes gilt auch für die Erbengemeinschaft: sie kann zwar unstreitig ein Gewerbe betreiben und auch nur aus Kapitalgesellschaften bestehen. Da sie dann jedoch als GbR (bzw. OHG) gilt, haften die Gesellschafter gesellschaftsrechtlich grundsätzlich unbeschränkt persönlich, sodass die Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG entfällt. Darauf, dass wirtschaftlich nur Gesellschaftsvermögen und kein Privatvermögen haftet, kommt es insoweit nicht an.
Vom Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ebenfalls ausgenommen sind Gesellschaften, die bereits nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG eine originäre gewerbliche Tätigkeit oder nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eine vollumfänglich gewerblich fingierte Tätigkeit ausüben. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut der Norm ("einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit nach Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt") und andererseits aus der systematischen Stellung innerhalb des § 15 EStG als Ergänzungstatbestand.
Rz. 294
Die (organschaftliche) Geschäftsführungsbefugnis bestimmt sich nach dem Gesellschaftsvertrag oder in dessen Ermangelung nach den gesetzlichen Regelungen. Es kommt nicht darauf an, wer die Gesellschaft im Außenverhältnis vertritt oder ob ein entsprechender Arbeits- oder Dienstvertrag als Geschäftsführer abgeschlossen ist. Ebenso wenig relevant ist die tatsächliche Person des Geschäftsführers, wie sich am Beispiel der GmbH & Co. KG zeigt: Führt insoweit die GmbH die Geschäfte der KG, so ist die KG gewerblich geprägt, auch wenn der Kommanditist der (alleinige) GmbH-Geschäftsführer ist. Ist dieser Kommanditist (oder ein zweiter) aber gleichzeitig auch durch die KG direkt zu ihrem Geschäftsführer bestellt, so entfällt die gewerbliche Prägung. Bei der atypisch stillen Gesellschaft steht der "tätige" Gesellschafter – also der, der das Handelsgewerbe betreibt – dem Geschäftsführer gleich. Die vorstehenden Grundsätze führen letztlich zu einem faktischen Wahlrecht, ob die Gesellschaft gewerblich ge- oder entprägt werden...