Dr. Constanze Wetzel, Joachim Moritz
Rz. 210a
Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips des § 20 Abs. 8 S. 1 EStG geht die Anwendung des § 17 EStG der Anwendung von § 20 EStG grundsätzlich immer vor, sodass eine Berücksichtigung eines Darlehensverlustes nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG nur möglich ist, soweit keine Berücksichtigung nach § 17 EStG erfolgt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung führt im Falle des Verlusts oder des Verzichts aus einem im Zeitpunkt der Krise stehen gelassenen Darlehen nur der werthaltige Teil zu nachträglichen Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG). Der nicht mehr werthaltige Teil sei hiernach nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Der BFH hat in jüngerer Vergangenheit in Bezug auf eine stehen gelassene Bürgschaft – allerdings zur Rechtslage vor Einführung des § 17 Abs. 2a EStG – die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt, aber die Rangordnung zwischen §§ 17, 20 EStG insoweit konkretisiert, dass die Subsidiarität des § 20 Abs. 8 EStG eine Verlustberücksichtigung nach § 20 Abs. 2 EStG nur "soweit" sperre, als Anschaffungskosten nach § 17 EStG berücksichtigt würden; lediglich die Erfüllung des Tatbestands des § 17 EStG stünde einer Anwendung des § 20 EStG nicht entgegen. Mit anderen Worten: Wenn im Zeitpunkt des Stehenlassens nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a EStG i. H. v. 0 EUR (Teilwert 0 EUR) entstehen, steht dies der Nichtanwendbarkeit des § 17 EStG gleich und der komplette Wertverlust (Nennwert) kann im Rahmen des § 20 Abs. 2 EStG berücksichtigt werden. Zwar ist das Urteil des BFH zur Rechtslage vor Einführung des § 17 Abs. 2a EStG ergangen, es handelt sich aber um eine Auslegung des § 20 Abs. 8 EStG, sodass die Grundsätze auch für die gegenwärtige Rechtslage im Hinblick auf die Abgrenzung von §§ 17 und 20 EStG gültig sein sollten.
Rz. 210b
Ein Verlust aus dem Ausfall einer Darlehensforderung kann allerdings nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt der Darlehensgewährung Einkunftserzielungsabsicht bestand. Es besteht zwar aufgrund der abgeltend besteuerten Kapitalerträge und des beschränkten und pauschalen Werbungskostenabzugs regelmäßig die Vermutung einer (widerlegbaren) Einkünfteerzielungsabsicht; dennoch ist die Vermutung widerlegt, wenn ein Überschuss von vornherein ausgeschlossen erscheint.
Rz. 210c
Die Berücksichtigung eines Verlusts aus dem endgültigen Ausfall einer Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG setzt voraus, dass der Stpfl. für den nicht werthaltigen Teil die Anschaffungskosten getragen hat. Von einem endgültigen Ausfall einer Darlehensforderung ist nach Auffassung der Finanzverwaltung auszugehen, wenn keine Rückzahlung mehr stattfindet. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners sei hiernach regelmäßig nicht ausreichend, es sei denn, das Insolvenzverfahren wurde mangels Masse abgelehnt oder es bestehen andere Gründe, dass keine Rückzahlung mehr stattfindet. Gleiches gilt nach der Verwaltungsauffassung auch für den Verzicht auf eine nicht werthaltige Darlehensforderung.
Rz. 210d
Grundsätzlich dürfen Verluste aus Kapitalvermögen aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus deren Übertragung auf Dritte oder aus einem Verzicht auf diese, nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG nur i. H. v. von 20.000 EUR mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Ebenfalls findet nach § 20 Abs. 6 S. 2, 3, 6 EStG § 10d EStG (Verlustvortrag) mit der Maßgabe Anwendung, dass nicht verrechnete Verluste je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20.000 EUR mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. Zu beachten ist allerdings, dass nach § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b), S. 2 EStG (grundsätzlich gem. § 52 Abs. 33b EStG ab 2021 anwendbar ist, für vor dem 1.1.2021 begründete Darlehen jedoch erst ab 2024 anzuwenden) die Verlustabzugs- bzw. Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG keine Anwendung findet, wenn u. a. Kapitalerträge i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG durch einen Anteilseigner bzw. nahe stehende Person des Anteilseigners erzielt werden, der zu mindestens 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 S. 1 Halbs. 2 EStG keine Anwendung findet.
Rz. 210e
Nach Auffassung der Finanzverwaltung unterliegen Gewinne und Verluste aus der Veräußerung oder dem Ausfall einer Darlehensforderung auch eines zu mindestens 10 % beteiligten Gesellschafters, die nach dem 31.12.2020 begründet wurden, dem gesonderten Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG, da den betreffenden Einkünften des Gesellschafters auf Seiten der Kapitalgesellschaft keine Betriebsausgaben gegenüberstünden (keine Anwendung von § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b), S. 2 EStG). Da...