Dr. Constanze Wetzel, Joachim Moritz
5.1 Besteuerung der Anteile bei Sitzverlegung
Rz. 352
§ 17 Abs. 5 EStG enthält die Regelung für den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (§ 17 Abs. 7 EStG) ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einen anderen Staat verlegt, wenn sich die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft im Privatvermögen befinden. Steuerliche Folgen treten nur ein, wenn die Anteile die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 EStG erfüllen, d. h. der Anteilsinhaber innerhalb der letzten 5 Jahre vor dem Wegzug mit mindestens 1 % beteiligt war. Weitere Voraussetzung ist, dass vor dem Wegzug ein deutsches Besteuerungsrecht an den Anteilen bestand und Deutschland dieses Besteuerungsrecht durch den Wegzug der Kapitalgesellschaft verliert. Verlegt dagegen eine SE oder eine andere Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einen anderen Staat der EU, enthält § 17 Abs. 5 S. 2–4 EStG eine Sonderregelung. In allen anderen Fällen gilt § 17 Abs. 5 S. 1 EStG.
§ 17 Abs. 5 EStG ist durch das Jahressteuergesetz 2007 v. 13.12.2006 eingefügt worden. Die Vorschrift gilt ab Vz 2006.
Rz. 353
Voraussetzung der Anwendung des § 17 Abs. 5 S. 1 EStG ist, dass eine Kapitalgesellschaft (zur Erweiterung auf Genossenschaften vgl. Rz. 375) Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in einen anderen Staat verlegt (zusammenfassend "Sitzverlegung" genannt; zum Begriff der Kapitalgesellschaft Rz. 34).
Es genügt die Verlegung von Sitz oder Ort der Geschäftsleitung; es braucht nicht beides verlegt zu werden. Indes ist derzeit nach deutschem Recht die Verlegung des Sitzes nicht möglich, sodass die Regelung im Wesentlichen die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung erfasst.
Rz. 353a
Da die Verlegung des Sitzes oder des Orts der Geschäftsleitung genügt, kommt es nicht darauf an, ob die Kapitalgesellschaft aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet. Die Regelung greift also auch ein, wenn die Kapitalgesellschaft nach der Sitzverlegung unbeschränkt stpfl. sein sollte.
Die Vorschrift ist sowohl dann anwendbar, wenn die Kapitalgesellschaft Sitz oder Ort der Geschäftsleitung aus Deutschland weg in einen anderen Staat verlegt, als auch dann, wenn sie bereits vorher in einem anderen Staat ansässig war und jetzt Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in einen weiteren Staat verlegt. Das Korrektiv gegen eine ausufernde Anwendung des Abs. 5 besteht in dem Merkmal, dass durch die Sitzverlegung das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen ausgeschlossen oder beschränkt werden muss.
Rz. 354
Als weiteres Tatbestandsmerkmal muss hinzukommen, dass durch die Sitzverlegung das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen ausgeschlossen oder beschränkt wird. Dieser Ausschluss oder die Beschränkung muss gerade durch die Sitzverlegung der Kapitalgesellschaft erfolgen, also (nur) dadurch, dass die Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder Ort der Geschäftsleitung verlegt. Beruht der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts auf anderen Gründen (z. B. den Neuabschluss eines DBA mit dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft), findet § 17 Abs. 5 EStG keine Anwendung. Dieser Fall führt daher nicht zu einer Besteuerung. Die Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts durch § 17 Abs. 5 EStG ist daher, anders als bei § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, nicht umfassend, sondern erfasst nur den Fall der Sitzverlegung.
Rz. 354a
Es kommt nicht darauf an, ob durch eine solche Sitzverlegung das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne der Kapitalgesellschaft selbst ausgeschlossen oder beschränkt wird. Maßgebend ist nur das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile. Als Steuersubjekt und damit als Adressat der Regelung sieht § 17 Abs. 5 EStG den Gesellschafter (Anteilsinhaber) an, nicht die Kapitalgesellschaft. Der Fall des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der Kapitalgesellschaft wird in § 12 Abs. 1, 3 KStG geregelt.
Rz. 355
Voraussetzung für die Anwendung des § 17 Abs. 5 EStG ist, dass Deutschland vor der Sitzverlegung der Kapitalgesellschaft ein Besteuerungsrecht an den Anteilen hatte, und dass dieses Besteuerungsrecht durch die Sitzverlegung ausgeschlossen oder beschränkt wird.
Im Rahmen des § 17 EStG nimmt Deutschland das Besteuerungsrecht an den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft u. a. in folgenden Fällen in Anspruch:
Besteht ein DBA, wird das Besteuerungsrecht regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat des Anteilsinhabers zugeordnet (Art 13 Abs. 5 OECD-MA). In diesem Fall kann die Besteuerung nach § 17 Abs. 5 EStG nur eingreife...