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Das Anfertigen von Bildern ist dann eine künstlerische Tätigkeit, wenn die Bilder unterschiedliche Motive haben, ohne Schablonen und ohne Mithilfe fremder Arbeitskräfte gemalt werden und mit den in Kunsthandlungen angebotenen Bildern vergleichbar sind. Für die erforderliche künstlerische Gestaltungshöhe ist nicht Voraussetzung, dass die Bilder für die Weiterentwicklung einer bestimmten Kunstrichtung von Bedeutung sind. Bedeutsam ist jedoch, ob die Bilder eine ästhetische Wirkung erzeugen sollen und in interessierten Käuferkreisen nicht nur geringen Anklang finden. Die Tätigkeit eines Eiskunstläufers besteht weniger darin, Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium des Eiskunstlaufs in einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung zu bringen, sondern zielt vielmehr darauf ab, Preisrichter und Publikum durch besondere körperliche Fähigkeiten zu beeindrucken; der Eiskunstläufer hat keine freiberuflichen Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit. Restauratoren können eine künstlerische Tätigkeit ausüben, sofern sie 2 Voraussetzungen erfüllen: Der restaurierte Gegenstand muss seinerseits ein Kunstwerk sein und er muss Raum dafür lassen, dass der Restaurator seine eigene individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck bringen kann, d. h. das Werk muss eine "Lücke" aufweisen. Wenn ein Restaurator im Rahmen seiner Tätigkeit aber Gutachten oder fachwissenschaftliche Beiträge erstellt, kommen Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit in Betracht. Wer als Illustrator menschliche Organe und chirurgische Eingriffe in den menschlichen Körper für medizinische (chirurgische) Fachbücher zeichnet, kann sich künstlerisch betätigen. Ein Schriftdesigner kann künstlerisch tätig sein, wenn sich seine Arbeiten im Bereich des Redesign durch historisches Wissen und eine hohe Qualität gleichsam restauratorisch auszeichnen und mit eigenem historischem Wissen Schriftzeichen erfunden und in das vorhandene System eingefügt werden. Für einen Saucendesigner gilt dies nicht, denn Rezept-Kreationen sind Ergebnis und Anwendung naturwissenschaftlich erklärbarer Vorgänge.
Fotografische Aufnahmen sind regelmäßig keine Kunstwerke, weil nur in begrenztem Maß eine geistig-eigenschöpferische Gestaltung des Dargestellten möglich ist. Dies gilt insbesondere auch für den Luftbildfotografen sowie für den Mode- oder Werbefotografen. Eine künstlerische Tätigkeit kann jedoch bei Portraitaufnahmen vorliegen. Fotomodelle sind regelmäßig nicht künstlerisch tätig. Ein Filmhersteller, dessen Film ein Kunstwerk darstellt, ist nur dann Künstler i. S. d. § 18 EStG, wenn er an allen Tätigkeiten, die für den künstlerischen Wert des einzelnen Films von Bedeutung sind (z. B. Drehbuch, Regie, Kameraführung, Schnitt, Vertonung usw.), selbst mitwirkt und dabei den entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Films ausübt. Anweisungen und Kontrollen, die einem Mitarbeiter noch eine eigene Gestaltungsfreiheit belassen, stehen der Annahme einer künstlerischen Tätigkeit des Filmherstellers entgegen. Auch der bei der Herstellung eines Films mitwirkende Kameramann kann freiberuflich tätig sein, nicht dagegen ein Video-Editor, der ausschließlich im Bereich der Werbung tätig ist, da die Werbung auf eine schnelle Erfassung der Botschaft abzielt und sich dafür einer eingängigen, aber keiner eigenständigen Formensprache bedienen muss. Ein Casting-Direktor, der die für ein Drehbuch den best geeignetsten Schauspieler auswählt, wird künstlerisch tätig, denn er gibt dem Film durch die Zusammenstellung des Ensembles seine persönliche Prägung.
Wer ein digitales Kunstwerk ("Kryptokunst") herstellt, bei dem nicht das Kunstwerk selbst, sondern ein "Token" (Reihe von digitalen Datenblöcken) gehandelt wird, erbringt eine eigenschöpferische Leistung, die regelmäßig die Voraussetzungen künstlerischer Betätigung erfüllt. Wer individuelle Reden und Ansprachen hält, kann künstlerisch tätig sein, wobei gewisse Bezugspunkte der Rede zum Schauspiel und – wenn der Redner seine Texte selbst verfasst – zur Tätigkeit des Schriftstellers Bedeutung erlangen können. Anders ist es aber, wenn der Redner in einer Vielzahl von Fällen mit der Verwendung nur weniger Grundmuster ("Redeschablonen") auskommt und die Textbausteine im Wesentlichen nur mit auf den Einzelfall abgestellten Variationen und Daten verändert.
Die Tätigkeit eines Synchronsprechers für Kultur-, Lehr- und Werbefilme ist ebenfalls keine künstlerische Tätigkeit, wenn sie sich darauf beschränkt, den Filmbegleittext aus einer anderen Sprache zu übertragen und den Text zu dem Filmstreifen zu sprechen. Für eine eigenschöpferische Leistung des Sprechers bleibt insoweit kaum oder nur ein zu geringer Spielraum. Dagegen kann die Mitwirkung eines Synchronsprechers an der Synchronisation eines Spielfilms eine künstlerische Tätigkeit darstellen, weil insoweit die Sprache Ausdrucksmittel für eine künstlerische Darstellung ist.
Die sprechende Tätigke...