Rz. 374d

Nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG dürfen Verluste aus Kapitalvermögen aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG, aus der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG auf einen Dritten oder aus einem sonstigen Ausfall von Wirtschaftsgütern i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG nur i. H. v. 20.000 EUR mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. § 20 Abs. 6 S. 2 und 3 EStG gilt sinngemäß mit der Maßgabe, dass nicht verrechnete Verluste je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20.000 EUR mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG wurde durch das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen v. 21.12.2019[1] eingeführt. Die zeitliche Anwendung ist in § 52 Abs. 28 S. 24 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen geregelt. Danach ist die Vorschrift erstmals auf Verluste aus Kapitalvermögen anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 entstehen. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG enthielt ursprünglich eine Beschränkung der Verlustverrechnung auf 10.000 EUR pro Jahr. Mit dem JStG 2020 v. 21.12.2020[2] wurde dieser Betrag auf 20.000 EUR pro Jahr erhöht. Der zeitliche Anwendungsbereich hat sich dadurch nicht geändert, wie sich aus § 52 Abs. 28 S. 26 EStG i. d. F. des JStG 2020 ergibt.

 

Rz. 374e

§ 20 Abs. 6 S. 6 EStG beschränkt die Verrechnung von Verlusten aus dem Untergang privater Kapitalanlagen auf einen Betrag von 20.000 EUR pro Jahr. Verluste, die diesen Betrag übersteigen, müssen in das Folgejahr zu übertragen und dort verrechnet werden, wobei die Verlustverrechnung auch in diesem Fall auf einen Betrag von 20.000 EUR pro Jahr beschränkt ist. Eine darüber hinausgehende Beschränkung der Verlustverrechnung enthält § 20 Abs. 6 S. 6 EStG nicht. Verluste aus dem Untergang privater Kapitalanlagen können daher nicht nur mit Gewinnen aus Veräußerung von Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG, sondern auch mit laufenden Kapitalerträgen i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG zum Ausgleich gebracht werden. Ausnahmen von der besonderen Verlustverrechnungsbeschränkung für Verluste aus dem Untergang privater Kapitalanlagen i. S. d. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG sind nicht vorgesehen. In der Gesetzesbegründung zu der besonderen Verlustverrechnungsbeschränkung i. S. d. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG führt der Gesetzgeber aus, dass es vor allem im Hinblick auf Kleinanleger sachgerecht erscheine, Verluste aus dem Untergang privater Kapitalanlagen bis zu einem Betrag von 20.000 EUR pro Jahr steuerlich anzuerkennen. Damit würde Kleinanlegern typischerweise die steuerliche Berücksichtigung der Verluste sofort gewährt. Anleger mit höheren Vermögenswerten erzielten typischerweise auch in größerem Umfang laufende Erträge und seien durch den für Kapitaleinkünfte einschlägigen Steuersatz von 25 % begünstigt. Eine Begrenzung der Verlustverrechnung für diese Anlegergruppe sei vor diesem Hintergrund gerechtfertigt.[3] Diese Ausführungen können nicht überzeugen. Der Gesetzgeber rechtfertigt die besondere Verlustverrechnungsbeschränkung i. S. d. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG damit, dass Verluste aus dem Untergang privater Kapitalanlagen bei Kleinanlegern einen Betrag von 20.000 EUR typischerweise nicht übersteigen, während Anleger mit höheren Vermögenswerten durch den besonderen Abgeltungsteuertarif von 25 % begünstigt seien. Der Gesetzgeber darf nach Maßgabe der Verfassung zwar generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.[4] Er darf jedoch für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen.[5] Hieran bestehen vorliegend erhebliche Zweifel. Insbesondere in Fällen, in denen Kleinanleger ihre komplette Altersvorsorge aufgrund eines Untergangs privater Kapitalanlagen verlieren – man denke nur an "Wirecard" – , dürfte ein Betrag von 20.000 EUR kaum das typische Verlustvolumen abbilden. Eine realitätsgerechte Typisierung dürfte insofern kaum gegeben sein. Auch der Verweis auf den für Kapitaleinkünfte einschlägigen (niedrigen) Steuersatz von 25 % bei Anlegern mit höheren Vermögenswerten geht fehl, da der niedrige Abgeltungsteuertarif bei dieser Anlegergruppe bereits die Nachteile durch das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG ausgleichen soll.[6] Als zusätzliche Rechtfertigung für besondere Verlustverrechnungsverbote steht der Sondertarif damit nicht mehr zur Verfügung.[7] Insgesamt betrachtet, kann der durch § 20 Abs. 6 S. 6 EStG bewirkte Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit damit nicht mehr als gerechtfertigt angesehen werden. Die Regelung ist u. E. verfassungswidrig.

 

Rz. 374f

Was den sachlichen Anwendungsbereich von § 20 Abs. 6 S. 6 ...

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