Frotscher/Geurts, EStG § 21 Vermietung und Verpachtung / 3.3.2 Obligatorische Nutzungsrechte

Rz. 84

Obligatorische Nutzungsrechte sind den dinglichen Nutzungsrechten gleichgestellt, d. h., der Nutzungsberechtigte erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sofern der Nutzungsberechtigte eine gesicherte Rechtsposition innehat und tatsächlich als Vermieter oder Verpächter auftritt. Eine gesicherte Rechtsposition ist gegeben, wenn der Eigentümer dem Nutzenden den Gebrauch des Grundstücks für eine festgelegte Zeit nicht entziehen kann.^[1] Zwischen fremden Dritten kommt es regelmäßig nur auf das Außenverhältnis an (Wer ist Träger der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag?). Bei Mehrpersonen- und Treuhandverhältnissen sowie bei nahen Angehörigen ist dagegen auf die tatsächlich oder rechtliche "Macht" und damit auf das Innenverhältnis abzustellen (Wer ist zur Vermietung berechtigt?).^[2]

Zur Einräumung einer solchen gesicherten Rechtsposition genügt ein schuldrechtliches Nutzungsrecht, das auch durch formlosen Leihvertrag begründet werden kann. Ebenso kann es (zumindest im Innenverhältnis) konkludent vereinbart werden.^[3] Dies gilt auch für ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht, dazu bedarf es der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme, etwa durch entsprechende Vereinbarungen der Vertragsparteien unter Zustimmung der Mieter. In Gestalt eines vertraglich eingeräumten Nutzungsrechts kann eine sog. gesicherte Rechtsposition gegeben sein.^[4] oder wenn das Nutzungsrecht jederzeit vom Zuwendenden widerruflich ist, da das Recht aufschiebend bedingt entsteht.^[5] Wird der Nießbrauch mangels Eintragung im Grundbuch nicht wirksam, gelten die Grundsätze für obligatorische Nutzungsrechte.

Rz. 85

Die Finanzverwaltung verlangt im Fall des unentgeltlich eingeräumten Nutzungsrechts den schriftlichen Abschluss des Vertrags und dass das Nutzungsrecht für einen festgelegten Zeitraum vereinbart worden ist. Die Voraussetzung, der Vertrag müsse eine Nutzungsdauer von mindestens 1 Jahr enthalten, ist angesichts der Entscheidung des BFH v. 24.10.2012^[6] aufgegeben worden.^[7]

Rz. 86

Für die Zuwendung des obligatorischen Nutzungsrechts gelten die Grundsätze des Zuwendungsnießbrauchs entsprechend (Rz. 70, 77ff.). Bei bereits bestehenden Mietverträgen zwischen Eigentümer und den Mietern kann der Nutzungsberechtigte nur durch eine rechtsgeschäftliche Übertragung in die Vermieterstellung eintreten, da für ihn §§ 567, 566 BGB nicht gelten.^[8]

Rz. 87

Für den Eigentümer gelten ebenfalls die Grundsätze über den Zuwendungsnießbrauch.

Rz. 88

Beim Vorbehalt des Nutzungsrechts hat der Nutzungsberechtigte bei Vermietung des Grundstücks die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern, kann die Aufwendungen einschl. des an den Eigentümer gezahlten Entgelts als Werbungskosten absetzen sowie die AfA geltend machen.^[9]

Rz. 89

Für den Eigentümer gelten die Grundsätze zum Vorbehaltsnießbrauch entsprechend (Rz. 77ff.).^[10].

[1] BFH v. 29.11.1983, VIII R 215/79, BStBl II 1984, 36; BFH v. 15.12.1992, IX R 13/90, BStBl II 1993, 490; BFH v. 30.11.1993, IX R 99/91, BFH/NV 1994, 776; BFH v. 16.1.2007, IX R 69/04, BStBl II 2007, 579; BFH v. 29.9.2021, IX R 2/21, BFH/NV 2022, 228; BMF v. 30.9.2013, IV C 1 – S 2253/07/10004, Rz. 6, BStBl I 2013, 1184.

[2] BFH v. 29.9.2021, IX R 2/21, BFH/NV 2022, 228.

[3] BFH v. 25.10.1988, IX R 132/85, BFH/NV 1989, 295; BFH v. 27.6.1996, IV R 82/95, BFH/NV 1997, 101; BFH v. 16.4.2002, IX R 53/98, BFH/NV 2002, 1152; BFH v. 29.9.2021, IX R 2/21, BFH/NV 2022, 228.

[4] BFH v. 25.4.1995, IX R 41/92, BFH/NV 1996, 122; BFH v. 24.10.2012, IX R 24/11, BFH/NV 2013, 1228; zweifelnd Kulosa, in Schmidt, EStG, 2023, § 21 EStG Rz. 77 unter Berufung auf BFH v. 24.10.2012, IX R 24/11, BFH/NV 2013, 1228, wo der BFH die Frage einer gesicherten Rechtsposition ausdrücklich offengelassen hat; vgl. aber Leitsatz 2 der Entscheidung.

[5] BFH v. 19.11.2003, IX R 54/00, BFH/NV 2004, 1079 gegen Vorinstanz; Niedersächsisches FG v. 27.1.2000, 5 K 53/98, EFG 2000, 938 betr. jederzeit widerruflichen Nießbrauch.

[6] BFH v. 24.10.2012, IX R 24/11, BFH/NV 2013, 1228.

[7] BMF v. 30.9.2013, IV C 1 – S 2252/07/10004, Rz. 7, BStBl I 2013, 1184, festgelegter Zeitraum muss vereinbart worden sein.

[8] BFH v. 26.4.1983, VIII R 205/80, BStBl II 1983, 502; BFH v. 26.4.2006, IX R 22/04, BFH/NV 2006, 2046; Kulosa, in Schmidt, EStG, 2023, § 21 EStG Rz. 77; BMF v. 30.9.2013, IV C 1 – S 2253/07/10004, Rz. 36, BStBl I 2013, 1184.

[9] BFH v. 28.3.1995, IX R 126/89, BStBl II 1997, 121.

[10] BMF v. 30.9.2013, IV C 1 – S 2253/07/10004, Rz. 51-54, BStBl I 2013, 1184.