Prof. Dr. Gerrit Frotscher
5.3.3.1 Ausweitung der Nachversteuerung
Rz. 86
Bis Vz 1998 enthielt das Gesetz nur eine Regelung zur Nachversteuerung bei der Umwandlung der ausl. Betriebsstätte. Durch G. v. 22.12.1999 wurde die Nachversteuerungsregelung ausgeweitet, um Lücken zu schließen. Der bisherige Nachversteuerungstatbestand der Umwandlung der Betriebsstätte wurde beibehalten. Die Neuregelung gilt für alle Vorgänge, die ab Vz 1999 den Nachversteuerungstatbestand der Nr. 2 erfüllen, und zwar unabhängig davon, wann die Betriebsstätte gegründet wurde und wann die Verluste, die durch die Nachversteuerung ausgeglichen werden sollen, abgezogen worden sind. Es handelt sich bei der Verschärfung der Nachversteuerungstatbestände um eine unechte Rückwirkung, die verfassungsrechtlich zulässig ist. Das gilt auch, soweit der Ersatztatbestand im Jahr 1999 vor Erlass des Gesetzes verwirklicht wurde; es genügt, dass das verschärfende Gesetz im Jahr 1999 in Kraft getreten ist, um alle Vorgänge des Jahres 1999, auch die vor seinem Inkrafttreten liegenden, zu erfassen.
Wird der Ersatztatbestand im Kj. 1998 verwirklicht, aber auch im abweichenden Wirtschaftsjahr 1998/1999, gilt die Neuregelung noch nicht, obwohl der Gewinn dieses Wirtschaftsjahrs dem Vz 1999 zuzurechnen ist. Die Rspr. begründet dies damit, dass der Nachversteuerungsbetrag außerhalb der bilanziellen Gewinnermittlung und damit zum Ende des Vz 1998 zu ermitteln ist. Wirklich überzeugend ist diese Ansicht zwar nicht, doch ist angesichts des Umstands, dass der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift viele Jahre zurückliegt, mit einer erneuten Überprüfung dieser Frage durch die Rspr. nicht zu rechnen.
Rz. 87
Zusätzlich wurde die Nachversteuerung dadurch ausgeweitet, dass sie abweichend von der bis Vz 1998 geltenden Rechtslage auch dann erfolgt, wenn der ausl. Staat einen Verlustabzug in anderen Jahren als dem Verlustjahr nicht kennt, sowie auch dann, wenn der abzugsfähige Verlust der Betriebsstätte nicht auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden kann, z. B. im Fall der Umwandlung. Somit erfolgt die Nachversteuerung auch dann, wenn der Verlust im Ausland verloren gegangen ist und sich daher infolge der Nachversteuerung im Inland steuerlich endgültig nicht mehr auswirken kann.
5.3.3.2 Nachversteuerung bei Umwandlung der Betriebsstätte (Abs. 4 S. 1 Nr. 1)
Rz. 88
§ 2a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG regelt die Nachversteuerung bei der Umwandlung der ausl. Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft. Bis Vz 1998 war dies der einzige Nachversteuerungstatbestand. Die Regelung hat sich jedoch als nicht ausreichend erwiesen; deshalb wurde sie ab Vz 1999 durch einen erweiterten Nachversteuerungstatbestand ersetzt, der auch die Übertragung der Betriebsstätte sowie ihre Aufgabe umfasst. Später wurde die Nachversteuerung auch auf den Wegfall der Ansässigkeit ausgedehnt (Rz. 108).
Rz. 89
Die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft verhindert die Zurechnung von Ergebnissen der (ehemaligen) Betriebsstätte bei dem Stpfl.: Ein "Durchgriff" durch die Kapitalgesellschaft ist nicht möglich. Das ermöglichte die Gestaltung, während einer Verlustphase der ausl. Betriebsstätte von § 2a Abs. 3 EStG Gebrauch zu machen, vor Eintritt in die Gewinnphase diese Betriebsstätte aber gewinnneutral in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln, um die Erfassung der künftigen Gewinne im Inland zu vermeiden. Diese Umgehung des § 2a Abs. 3 EStG, nämlich den Abzug von Verlusten und die spätere Hinzurechnung von Gewinnen in gleicher Höhe, soll Abs. 4 vermeiden.
Rz. 90
Voraussetzung des Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ist die "Umwandlung" in eine Kapitalgesellschaft. Der Begriff der Umwandlung kann nicht nach den Vorschriften des UmwG und des UmwStG ausgelegt werden. Der Vorgang der Umwandlung spielt sich im Ausland ab, also außerhalb des Geltungsbereichs des UmwG und des UmwStG. Es genügt für die Anwendung des Abs. 4 S. 1 Nr. 1, dass der Vorgang im Ausland zu dem gleichen Ergebnis führt wie eine Umwandlung der Betriebsstätte i. S. d. deutschen Handels- und Steuerrechts. Der Begriff der Umwandlung ist daher weit zu verstehen. Maßgebend ist, dass die Betriebsstätte als organisatorische und wirtschaftliche Einheit ohne Veräußerung auf eine Kapitalgesellschaft übergeht. Damit fällt auch die "Einbringung" unter den Begriff der Umwandlung. Ausgeschlossen ist danach lediglich der Fall der Veräußerung der Betriebsstätte. Die Veräußerung führt ggf. zu einer Realisierung von Gewinnen, die der Besteuerung im Inland bereits nach § 2a Abs. 3 S. 3 oder Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG unterliegen, sodass der Ersatztatbestand des Abs. 4 S. 1 Nr. 1 nicht einzugreifen braucht (Rz. 97). Keine...