Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 113
Wird einer der Ersatztatbestände erfüllt, ist ein in der Vergangenheit nach Abs. 3 abgezogener Verlust wieder hinzuzurechnen. Das bedeutet, dass die Verlustberücksichtigung im Inland wieder rückgängig gemacht wird. Mit der Erfüllung der Ersatztatbestände kann in der ausl. Betriebsstätte kein Gewinn mehr erzielt werden, sodass es nicht mehr zu einer Nachversteuerung nach Abs. 3 S. 3 kommen kann. Die Nachversteuerung erfolgt daher im Zeitpunkt der Erfüllung des Ersatztatbestands als dem letzten möglichen Zeitpunkt.
Rz. 114
Zeitlich erfolgt die Nachversteuerung in dem (deutschen) Vz, in dem im Ausland der Ersatztatbestand verwirklicht wurde, in dem also die dinglichen Wirkungen des Ersatztatbestands eingetreten sind. Dies ist der Zeitpunkt der (handelsrechtlichen) Wirksamkeit der Umwandlung, der Zeitpunkt der Übertragung der Betriebsstätte oder der Zeitpunkt der Aufgabe der Betriebsstätte, wenn die Tätigkeit der Betriebsstätte von einer nahestehenden Person fortgeführt wird. Im letzten Fall kommt es auf den Zeitpunkt der Aufgabe der Betriebsstätte an, nicht auf den der Fortführung der Tätigkeit; maßgebend ist nur, dass überhaupt eine Fortführung erfolgt. Im Fall der Beendigung der unbeschränkten Stpfl. bzw. der Ansässigkeit tritt die Nachversteuerung in dem Zeitpunkt ein, in dem die unbeschränkte Stpfl. bzw. die Ansässigkeit endet.
Rz. 115
Hat der inl. Stpfl. ein vom Kj. abweichendes Wirtschaftsjahr, ist mit "Veranlagungszeitraum" derjenige Vz gemeint, in dem der Gewinn zu versteuern wäre, wenn der Ersatztatbestand zu einer Gewinnrealisierung geführt hätte. Maßgebend ist also, in welchem Vz das Ergebnis des Wirtschaftsjahrs steuerlich zu erfassen ist, in dem der Ersatztatbestand verwirklicht worden ist.
Ersatztatbestand und Zeitpunkt der Nachversteuerung
Das Wirtschaftsjahr des inl. Stpfl. läuft v. 1.7. bis 30.6. Ein Ersatztatbestand, der am 15.7.15 verwirklicht worden ist, führt zur Nachversteuerung im Vz 16, weil er in das Wirtschaftsjahr 1.7.15 bis 30.6.16 fällt. Er ist also nicht im Vz 15 zu erfassen, worauf der Wortlaut des Gesetzes hindeuten könnte.
Rz. 116
Die Hinzurechnung erfolgt in Höhe des Verlusts, der abgezogen wurde und der noch nicht nach Abs. 3 S. 3 nachversteuert worden ist und der auch nicht durch die Erfüllung des Ersatztatbestands in direkter Anwendung des Abs. 3 S. 3 nachzuversteuern ist.
Rz. 117
Es gibt also eine dreifache Stufung der Nachversteuerung: In erster Linie führt der laufende Gewinn der Betriebsstätte in direkter Anwendung des Abs. 3 S. 3 zur Hinzurechnung. Danach kommt es, ebenfalls in direkter Anwendung des Abs. 3 S. 3, zur Hinzurechnung, wenn der Ersatztatbestand zu einer Gewinnverwirklichung bei der Betriebsstätte geführt hat, z. B. aufgrund eines Veräußerungsvorgangs. Erst dann, wenn danach ein abgezogener, aber noch nicht nachversteuerter Verlust verbleibt, kommt es zur Nachversteuerung in entsprechender Anwendung des Abs. 3 S. 3 aufgrund des Nachversteuerungstatbestands.
Rz. 118
Die Nachversteuerung nach Abs. 4 ist unabhängig davon, ob der Ersatztatbestand zum Ausweis eines Gewinns geführt hat. Auf die Höhe des "Umwandlungsgewinns" oder "Übertragungsgewinns" kommt es also nicht an. Die Hinzurechnung aufgrund des Ersatztatbestands greift gerade ein, wenn kein Umwandlungs- oder Veräußerungsgewinn entstanden ist (der ohnehin zuzurechnen wäre). Die Nachversteuerung nach Abs. 4 macht also den inl. Verlustabzug selbst dann rückgängig, wenn die ausl. Betriebsstätte den Verlust weder durch unmittelbaren Gewinnausweis noch mittelbar (z. B. durch Erhöhung von stillen Reserven) ausgleichen konnte. Grund für diese Regelung ist, dass infolge des Vorgangs, der einen Nachversteuerungstatbestand bildet, die Möglichkeit entfällt, zu einer Nachversteuerung durch künftige Gewinne der Betriebsstätte zu kommen, die sich nicht in den zum Zeitpunkt der Nachversteuerung bestehenden stillen Reserven niedergeschlagen haben. Der ausl. Verlust bleibt dann steuerlich endgültig unberücksichtigt. Er ist im Inland infolge der Nachversteuerung nicht berücksichtigt worden, im Ausland kann er sich wegen des Wegfalls der Betriebsstätte nicht mehr auswirken.
Rz. 119
Die Nachversteuerung nach Abs. 4 ist auch unabhängig davon, ob der übernehmende ausl. Rechtsträger bei der Umwandlung, der Übertragung oder der Fortführung den von der Betriebsstätte erlittenen Verlust geltend machen kann.
Rz. 120
Die Nachversteuerung des abgezogenen Verlusts bei Erfüllung eines Ersatztatbestands erfolgt in entsprechender Anwendung des Abs. 3 S. 3. Dies ist eine Rechtsfolgeverweisung (Hinzurechnung des abgezogenen Betrags bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte). Der Tatbestand des Abs. 3 S. 3 (positiver Betrag der nach DBA befreiten Einkünfte) braucht nicht erfüllt zu sein, da dann bereits eine Nachversteuerung in direkter Anwendung des Abs. 3 S. 3 erfolgt, also eine Nachversteuerung aufgrund der Ersatztatbestände des Abs. 4 in entsprechender Anwendung des Abs. 3 S. 3 gar nicht zum Zuge kommen könnt...