Carsten Schmitt, Andrea Debus
2.1 Allgemeines
Rz. 10
Die Regelung kindbezogener Vergünstigungen erfordert eine Definition, welche Person im Verhältnis zum Stpfl. "Kind" ist. Der Kindbegriff ist ein Relationsbegriff, d. h., eine Person ist Kind immer nur in Bezug auf eine andere bestimmte Rechtsperson. Diese Definition enthält § 32 Abs. 1 EStG. Zusätzliche Voraussetzungen, die für die Gewährung des Kindergelds bzw. der Freibeträge gegeben sein müssen, enthalten Abs. 2–5.
Dem Gesetzgeber steht es – unter Beachtung von Art. 3, 6 GG – grds. frei, wie er den Kindbegriff definiert. Der Kindbegriff kann deshalb in verschiedenen Gesetzen einen unterschiedlichen Inhalt haben. Die Kindbegriffe im Kindergeldrecht nach § 63 EStG bzw. nach § 2 BKGG stimmen seit 1996 überein. Keine Übereinstimmung besteht dagegen zwischen dem kindergeldrechtlichen Begriff und § 32 EStG. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2, 3 EStG (bzw. § 2 BKKG) zählen – über die Regelung in § 32 Abs. 1 EStG hinaus – beim Kindergeld auch Stief- und Enkelkinder mit, soweit sie in den Haushalt aufgenommen sind. Andererseits ist bei dem nach § 62 Abs. 2 EStG (bestimmte Ausländer) und nach § 63 Abs. 1 S. 3 EStG (bestimmte Auslandskinder) von der Kindergeldberechtigung ausgeschlossenen Personenkreis ein Kinderfreibetrag abzusetzen (§ 31 EStG Rz. 5). Nach § 32 Abs. 6 S. 10 EStG werden bei Stief- und Enkelkindern die Freibeträge nur bei einer Übertragung von den Elternteilen berücksichtigt.
2.2 Kinder kraft Verwandtschaft (Abs. 1 Nr. 1)
2.2.1 Eheliche und nichteheliche Kinder
Rz. 11
§ 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfasst Kinder kraft Verwandtschaft im ersten Grad. Maßgebend ist insoweit das Zivilrecht. Nach § 1589 S. 1 BGB sind die Personen in gerader Linie verwandt, die voneinander abstammen (z. B. Urgroßmutter, Großvater, Mutter, Sohn). Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten (§ 1589 S. 3 BGB). Im 1. Grad sind also nur Eltern und Kinder verwandt. Zwischen Großeltern und Enkelkindern besteht eine Verwandtschaft 2. Grades, sodass Großeltern den Kinderfreibetrag nicht aufgrund der Verwandtschaft, sondern nur bei einer Übertragung auf Antrag nach § 32 Abs. 6 S. 10 EStG (Rz. 137) oder, wenn ein Pflegekindverhältnis nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorliegt (Rz. 24), in Anspruch nehmen können. Die doppelte Erwähnung des Wortes "Kind" in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ist erforderlich, damit nicht Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern "Kinder i. S. d. Gesetzes" sein können.
Rz. 12
Kinder kraft Verwandtschaft sind entweder eheliche oder nichteheliche Kinder. Die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes wird ferner durch Adoption (§§ 1741ff. BGB) erlangt.
2.2.1.1 Rechtslage vor dem 1.7.1998
Rz. 13
Für die Zeit vor der Reform des Kindschaftsrechts zum 1.7.1998 galt Folgendes: Kinder kraft Verwandtschaft 1. Grades sind eheliche, nichteheliche und für ehelich erklärte Kinder. Ob ein Kind ehelich und welcher Ehe der Mutter es zuzurechnen ist, wenn die Mutter nacheinander mehrfach verheiratet war, wurde durch §§ 1591, 1600 BGB a. F. bestimmt. Bei Kindern, die nach § 1591 BGB a. F. (Geburt nach Eheschließung) als ehelich gelten, kann das FA selbst bei offensichtlichen Zweifeln (etwa aufgrund der Hautfarbe) die Verwandtschaft nicht überprüfen (§ 1593 BGB a. F.). Auch Kinder aus nichtigen, angefochtenen und geschiedenen Ehen sind eheliche Kinder.
Rz. 14
Durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder v. 19.8.1969 wurde auch das nichteheliche Kind (§§ 1600a ff. BGB a. F.) mit seinem Erzeuger verwandt. Die Vaterschaft wird durch Anerkennung oder durch gerichtliche Feststellung rechtsgültig (§§ 1600a ff. BGB a. F.). Die Rechtsakte, die dem nichtehelichen Kind die Stellung eines ehelichen Kindes verschaffen (§ 1719 BGB a. F.: Legitimation durch nachfolgende Ehe; § 1736 BGB a. F.: Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters; § 1740a BGB a. F.: Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes), führen nicht erst die Eigenschaft als Kind kraft Verwandtschaft herbei. Dieser Status besteht vielmehr auch schon vorher. Derartige Akte begründen die Kindeigenschaft ausnahmsweise aber dann, wenn durch den Staatsakt die Wirkungen der Legitimation aus Gründen der Rechtssicherheit auch dann eintreten, wenn die erforderliche Blutsverwandtschaft fehlt (§§ 1735, 1740a Abs. 2 BGB a. F.).
2.2.1.2 Rechtslage ab dem 1.7.1998
Rz. 15
Ab dem 1.7.1998 gilt das neue Kindschaftsrecht. Danach sind eheliche und nichteheliche Kinder weitgehend gleichgestellt. Die Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat (§ 1591 BGB); dies gilt auch im Fall einer Leihmutterschaft. Vater ist, wer z. Zt. der Geburt mit der Mutter verheiratet war, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach § 1600d BGB gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 BGB). Die Existenz des Kindes sowie die Vaterschaft sind durch amtliche Dokumente nachzuweisen.
Die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft wirkt zivilrechtlich auf die Geburt des Kindes zurück, sodass der bisherige Scheinvater rückwirkend auch nicht zum Unterhalt verpflichtet ist. Ebenso wirkt die Anerkennung ode...