1 Funktion und Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 1

Nach § 2 Abs. 5 EStG wird das die Bemessungsgrundlage der ESt bildende zu versteuernde Einkommen in der Weise ermittelt, dass bestimmte Freibeträge – und sonstige vom Einkommen abzuziehende Beträge – vom Einkommen abgezogen werden. § 32 Abs. 6 EStG definiert diese Freibeträge: Kinderfreibetrag (sächliches Existenzminimum); zusätzlicher Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf ("Sammelfreibetrag"). Das beim Ansatz des Kinderfreibetrags bzw. Sammelfreibetrags relevante Begriffsmerkmal "zu berücksichtigendes Kind" wird in Abs. 1–5 definiert und "vor die Klammer" gezogen.

 

Rz. 2

Auf diese Definition des Kindbegriffs wird zugleich in anderen Vorschriften unmittelbar oder mittelbar Bezug genommen. Definiert wird damit zugleich ein Tatbestandsmerkmal auch anderer Normen als Voraussetzung für weitere kindbedingte Ermäßigungen. Unmittelbare Verweisungen auf § 32 EStG finden sich z. B. in § 38b Abs. 2 EStG, § 63 Abs. 1 EStG. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG werden insbesondere Kinder i. S. von § 32 Abs. 1 EStG beim Kindergeld berücksichtigt. Andere Vorschriften knüpfen mittelbar dadurch an den Kindbegriff des § 32 EStG an, dass sie die Gewährung eines Kinderfreibetrags oder von Kindergeld zur Voraussetzung einer weiteren Vergünstigung machen.[1]

§ 32 EStG kommt damit eine zentrale Bedeutung für den Bereich der Familienbesteuerung zu. Die Regelung wird ergänzt durch § 31 EStG, wonach der Familienleistungsausgleich ab Vz 1996 nicht mehr kumulativ durch Kinderfreibetrag und Kindergeld, sondern durch die alternative Gewährung von Freibeträgen oder Kindergeld gewährleistet wird. Während des Kj. wird in allen Fällen nur das monatliche Kindergeld als Steuervergütung ausgezahlt. Die Freibeträge werden bei der LSt-Berechnung und bei der Festsetzung von ESt-Vorauszahlungen nicht berücksichtigt. Erst nach Ablauf des Kj. wird im Veranlagungsverfahren von Amts wegen geprüft, ob im Einzelfall das Kindergeld ausreicht, um die verfassungsrechtlich gebotene Steuerfreistellung des Kinderexistenzminimums zu bewirken (Günstigerprüfung). Ist dies nicht der Fall, d. h., sind die Freibeträge günstiger, werden bei der Steuerberechnung die Freibeträge abgezogen und das zunächst gezahlte Kindergeld der Jahressteuer hinzugerechnet, sodass es im Ergebnis wieder zurückgefordert wird (§ 31 EStG Rz. 5ff.).

 

Rz. 3

Die Einordnung von § 32 EStG im Abschnitt IV unter "Tarif" ist rechtssystematisch unzutreffend. Sie erklärt sich aus der Entwicklung kindbedingter Entlastungen als Ermäßigung der Steuersätze. Mit dem ESt-Tarif als Regelung, die lediglich an die Steuerbemessungsgrundlage anknüpft (§ 32a EStG), hat § 32 EStG allerdings nichts zu tun.

Rz. 4 bis 8 einstweilen frei

1.1 Rechtsentwicklung ab 2010

 

Rz. 9

StVereinfG[1] v. 1.11.2011: Einkommensunabhängige Gewährung des Kindergelds ab 2012; Berücksichtigung einer zweiten Ausbildung nur, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Neuregelung der Übertragung von Kinderfreibetrag und Sammelfreibetrag ab 2012.

BeitrRLUmsG[2] v. 7.12.2011: Erweiterung des anerkannten Freiwilligendienstes.

AmtshilfeRLUmsG[3] v. 26.6.2013: Änderung bei der Bezeichnung des Freiwilligendienstes; Klarstellung, dass eine Erstausbildung sowohl eine Berufsausbildung als auch ein Erststudium umfasst.

Kroatien-AnpG[4] v. 25.7.2014 und AO-AnpG[5] v. 22.12.2014: Erweiterung bzw. Ergänzung des anerkannten Freiwilligendienstes.

KiGAnhG[6] v. 16.7.2015: Erhöhung des Kinderfreibetrags auf 2.256 EUR (2015) und 2.304 EUR ab 2016.

BEPS-UmsG[7] v. 20.12.2016: Weitere Erhöhung des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes ab Vz 2017 bzw. Vz 2018.

FamEntlG[8] v. 29.11.2018: In § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG erfolgte die redaktionelle Anpassung für den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "weltwärts" und den Internationalen Jugendfreiwilligendienst aufgrund Änderung der Rechtsgrundlage der Dienste.

Die Erhöhung der Kinderfreibeträge für den Vz 2019 erfolgte um 96 EUR auf 2.490 EUR und für den Vz 2020 um 96 EUR auf 2.586 EUR.

SozialMissbrG[9] v. 11.7.2019: Umbenennung des Europäischen Freiwilligendienste "Erasmus +" in "Freiwilligenaktivität" in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG.

2. FamEntlastG[10] v. 1.12.2020: Es erfolgte die Erhöhung des Kinderfreibetrags für den Vz 2021 um 144 EUR auf 2.730 EUR für jeden Elternteil und Erhöhung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf um ebenfalls 144 EUR auf 1.464 EUR.

AbzStEntModG[11] v. 2.6.2021: Änderung des § 32 Abs. 6 S. 6 EStG ab dem Vz 2021: Bei einer Übertragung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) geht automatisch auch der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf den anderen Elternteil über.

InflAusG[12] v. 8.12.2022: Kinderfreibetrag für Vz 2022 wurde um 80 EUR auf 2.810 EUR, für Vz 2023 um weitere 202 EUR auf 3.012 EUR und für Vz 2024 um 180 EUR auf 3.912 EUR angehoben.

JStG 2022[13] v. 16.12.2022: Redaktione...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge