Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 71
§ 32d Abs. 4 EStG sieht vor, dass der Stpfl. für Kapitalerträge, die der KapESt unterlegen haben, eine Steuerfestsetzung entsprechend § 32d Abs. 3 S. 2 EStG beantragen kann. In diesem Fall muss der Stpfl. die betroffenen Kapitalerträge in der Steuererklärung angeben. § 32d Abs. 4 EStG soll dem Stpfl. die Möglichkeit geben, steuermindernde Umstände, die beim Steuerabzug vom Kapitalertrag nicht berücksichtigt werden konnten, unter Durchbrechung der Abgeltungswirkung i. S. d. § 43 Abs. 5 EStG im Veranlagungsverfahren geltend zu machen. Außerdem soll der Stpfl. mithilfe des Antrags i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG eine Überprüfung des von den Kreditinstituten vorgenommenen KapESt-Einbehalts dem Grunde und der Höhe nach durch das FA und die Finanzgerichte herbeiführen können. Eine Anfechtung der KapESt-Anmeldung erledigt sich in diesem Fall, da eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des KapESt-Einbehalts im Veranlagungsverfahren vorrangig gegenüber einer Überprüfung der Rechtsmäßigkeit im Steuerabzugsverfahren ist. Eine Veranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG lässt die Anwendung der besonderen Besteuerungsgrundsätze für die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG unberührt. Es gilt der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG. Das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 EStG und das Verlustverrechnungsverbot i. S. d. § 20 Abs. 6 EStG sind zu beachten. Der Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 1.000 EUR kann abgezogen werden. Die Anrechnung ausl. Quellensteuern richtet sich nach der Sonderregel gem. § 32d Abs. 5 EStG.
Rz. 72
§ 32d Abs. 4 EStG findet auf alle Kapitalerträge Anwendung, bei denen ein Steuerabzug vom Kapitalertrag durchgeführt wurde. Ob der KapESt-Einbehalt zu Recht erfolgte, spielt keine Rolle. Hieran anknüpfend gestattet § 32d Abs. 4 EStG dem Stpfl., die Kapitalerträge unter Durchbrechung der Abgeltungswirkung i. S. d. § 43 Abs. 5 EStG in die Veranlagung einzubeziehen, wofür eine Angabe der Kapitalerträge in der Steuererklärung erforderlich ist. Der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG ist an keinen bestimmten Grund gebunden. Bei den in § 32d Abs. 4 EStG genannten Fällen, wie der Geltendmachung eines nicht vollständig ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrags i. S. d. § 20 Abs. 9 EStG oder der Korrektur einer Ersatzbemessungsgrundlage i. S. d. § 43a Abs. 2 S. 7 EStG, handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielsfällen. Es sind weitere Fälle denkbar, in denen ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG sinnvoll sein kann, etwa zur Geltendmachung von Veräußerungskosten i. S. d. § 20 Abs. 4 S. 1 EStG oder zum Nachweis eines unentgeltlichen Depotübertrags i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 4 EStG. Auch eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus Depots, die bei verschiedenen Kreditinstituten geführt werden, ist mithilfe eines Antrags i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG möglich. Der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG muss nicht für sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG gestellt, sondern kann auf bestimmte Kapitalerträge beschränkt werden. Nicht möglich ist ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG nach Ansicht der Finanzverwaltung zur Verrechnung von positiven Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG mit negativen Einkünften aus anderen Einkunftsarten. In diesem Fall muss der Stpfl. einen Antrag i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG stellen. Stellt der Stpfl. einen Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG, sind Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG a. F. zwingend mit Neugewinnen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG n. F. zu verrechnen, wenn keine Ausgleichsmöglichkeit mit Neugewinnen i. S. d. § 23 EStG besteht. Eine Verrechnung von Altverlusten i. S. d. § 23 EStG a. F. geht dabei einer Verrechnung von Neuverlusten i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG vor. Der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG muss nach dem Wortlaut des Gesetzes zusammen mit der ESt-Erklärung gestellt werden. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG wie der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG jedoch bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids möglich sein. Nach diesem Zeitpunkt soll ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG noch so lange gestellt werden können, wie eine Änderung des Steuerbescheids möglich ist. Dieser Ansicht hat sich der BFH mittlerweile angeschlossen. Bei einer Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 AO ist zu beachten, dass in die Entscheidung, ob nachträglich bekanntgewordenen Tatsache zu einer höheren oder niedrigeren ESt führen, auch die im Steuerabzugsverfahren erhobene ESt einzubeziehen ist. Im Hinblick auf eine Änderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist zu beachten, dass der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG für sich betrachtet noch kein rückwirkendes Ereignis ist, das eine Änderung des Steuerbescheids ermöglicht. Ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG hat stets nur Gültigkeit für einen Vz. Will der Stpfl. auch im folgenden Vz eine Einbeziehung seiner Kapitalerträge in die Veranlagungen erreichen, muss er einen neuen An...