Rz. 70
Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sind als ausl. Einkünfte zu qualifizieren, wenn die Tätigkeit im Ausland ausgeübt oder verwertet wird (§ 49 Rz. 220ff.).
Rz. 71
"Ausübung" bedeutet jedes Tätigwerden, das zum wesentlichen Bereich der selbstständigen Tätigkeit gehört (R 49.2 EStR 2012). Dazu gehört z. B. die Behandlungstätigkeit eines Arztes, die Beratungs- oder Prozesstätigkeit eines Anwalts, die Bauaufsicht eines Architekten, die Vortragstätigkeit eines Künstlers. Einkünfte eines Berufssportlers sind gewerbliche Einkünfte, keine Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (R 49.1 Abs. 3 EStR 2012; zum umgekehrten Fall § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG), und daher nur dann ausl. Einkünfte, wenn für sie eine Betriebsstätte im Ausland unterhalten wird.
Besteht die selbstständige Arbeit in einem Sich-zur-Verfügung-Halten, wird diese Tätigkeit an dem jeweiligen Aufenthaltsort des Selbstständigen ausgeübt. Ist Gegenstand der selbstständigen Arbeit das Unterlassen von Konkurrenztätigkeit, wird die Tätigkeit dort ausgeübt, wo keine Konkurrenz entfaltet werden darf.
Wird der wesentliche Teil der Tätigkeit im Inland für einen ausl. Mandanten ausgeführt, liegt keine Ausübung im Ausland vor. Bei einem Erfinder liegt eine Tätigkeit im Ausland vor, wenn er vom Ausland aus seine Rechte aus den Lizenzverträgen ausübt. Das gilt auch für die Veräußerung der Rechte aus der Erfindung und für nachträgliche Einkünfte. Ist ein Kunstwerk im Inland erstellt worden (Literatur usw.), sind alle Einkünfte, die sich hieraus ergeben, einschließlich aller Lizenzeinnahmen usw., inländische Einkünfte. Die spätere Verwertung im Ausland durch Übertragung der Urheberrechte wird durch die inländische Ausübung verdrängt.
Rz. 72
"Verwerten" der Tätigkeit bedeutet ein Nutzen, Benutzen oder Gebrauchen, also ein Nutzbarmachen, das an einem Ort geschieht, der nicht mit dem Ort des Ausübens identisch ist. Es liegt vor, wenn der Selbstständige zwar nicht in dem betreffenden Staat tätig wird, der wirtschaftliche Erfolg dieser Tätigkeit aber in diesem Staat anfällt. Das ist etwa der Fall, wenn die in dem einen Staat gemachte Erfindung (dem "Ausübungsstaat") an einen Stpfl. in einem anderen Staat (dem "Verwertungsstaat") gegen Lizenzzahlungen überlassen oder in dem anderen Staat angewandt wird (R 49.3 Abs. 1 S. 3 EStR 2012), wenn die Vervielfältigung und Verbreitung eines in einem Staat verfassten Werks in dem anderen Staat geduldet werden oder wenn ein bildender Künstler seine in dem einen Staat geschaffenen Werke in dem anderen Staat veräußert.
Die Arbeit eines Filmschauspielers wird in dem Land verwertet, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, das den Film herstellt.
Der Anknüpfungstatbestand des "Verwertens" tritt zurück, soweit ein "Ausüben" vorliegt. Das "Ausüben" hat Vorrang, "Verwerten" hat die Funktion eines Auftragstatbestands, wenn kein "Ausüben" im Inland vorliegt.
Rz. 73
Für die Qualifizierung der Einkünfte aus der selbstständigen Arbeit als ausl. Einkünfte ist also nicht das "Betriebsstättenprinzip" maßgebend; es genügt eine verhältnismäßig flüchtige Beziehung zum Ausland (Ausüben oder Verwerten), ohne dass es einer gewissen Verfestigung dieser Beziehung durch eine Betriebsstätte oder eine feste Einrichtung bedarf. Dieses Verständnis steht in einem gewissen Konflikt zu den DBA-Bestimmungen, die i. d. R. auf eine "feste Einrichtung" oder eine "Betriebsstätte" abstellen. In § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG hat der Gesetzgeber diesen Konflikt gelöst, indem er den Wortlaut demjenigen des OECD-MA angepasst hat. Eine vergleichbare Änderung in § 34d EStG ist aber nicht erfolgt. Dies dürfte allerdings als gesetzgeberisches Versehen zu werten sein, da § 34d EStG und § 49 EStG systematisch vergleichbar aufgebaut sind. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit ein anderer Anknüpfungspunkt als derjenige bei den betrieblichen Einkünften gewählt werden kann.
Rz. 74
Zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit gehören auch die mit dieser Einkunftsart zusammenhängenden Einkünfte aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern und Anteilen an Kapitalgesellschaften, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, aus sonstigen Leistungen sowie aus der Veräußerung einer freiberuflichen Praxis. In diesen Fällen ist also nicht auf § 34d Nr. 4 EStG abzustellen.
Rz. 75
Bei Fehlen eines DBA kommt der Abgrenzung der selbstständigen Arbeit von dem Gewerbebetrieb besondere Bedeutung zu. Das ist vor allem bei der Überlassung von Rechten problematisch. Die Überlassung von Rechten kann ihrem Wesen nach sowohl auf selbstständiger Arbeit als auch auf einem Gewerbebetrieb beruhen. Unter die selbstständige Arbeit fällt die Überlassung von Rechten etc. dann, wenn die Rechte oder Kenntnisse (auch praktischer, technischer oder kaufmännischer Natur) im Rahmen einer selbstständigen, nichtgewerblichen Tätigkeit entwickelt wurden. Konnten die überlassenen Erfahrungen dagegen nur in einem gewerblichen Betrieb...