Carsten Schmitt, Prof. Dr. Bert Kaminski
Rz. 145
In § 35 Abs. 2 S. 3 EStG findet sich eine Spezialregelung, die wohl nur selten zur Anwendung kommen wird und durch das Gesetz zum Dritten Zusatzprotokoll zum DBA Niederlande eingefügt wurde. Damit wird einer Sonderregelung im DBA Rechnung getragen. Diese sieht vor, dass bei einer Investition in einer Personengesellschaft im deutsch-niederländischen Gewerbegebiet Aventis (Aachen-Heerlen) nicht das sonst übliche Betriebsstättenprinzip entsprechend dem Vorbild des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA anzuwenden ist. Vielmehr wird diese Tätigkeit nach Art. 5 Abs. 4 DBA-Niederlande wie ein Direktgeschäft besteuert. Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Staaten enthalten derzeit keine vergleichbare Regelung. Gleichwohl hat der Gesetzgeber sich für allgemeine Formulierungen und Vorgaben entschieden, sodass eine Ausweitung auf weitere Fälle durch die entsprechende Änderung der DBA mit den deutschen Nachbarstaaten grundsätzlich möglich wäre.
Rz. 146
Wird in dem genannten Gebiet eine Personengesellschaft errichtet und ist hieran ein Niederländer beteiligt, so würde dies normalerweise zu einer Betriebsstätte führen. Diese würde im Inland der GewSt unterliegen und eine beschränkte ESt-Pflicht des niederländischen Gesellschafters nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG auslösen. Dem steht jedoch die Regelung im DBA entgegen. Sie bewirkt, dass diese Betriebsstätteneinkünfte weder der deutschen ESt noch der GewSt unterliegen, weil das Besteuerungsrecht den Niederlanden zugewiesen ist. Insoweit steht das DBA den nationalen Regelungen entgegen. Diese Einkünfte bleiben in Deutschland steuerfrei. Der auf den Niederländer entfallende Gewinnanteil ist somit weder im Gewerbeertrag noch im GewSt-Messbetrag enthalten.
Rz. 147
Ist eine inländische natürliche Person an einer solchen Personengesellschaft beteiligt, so unterliegen die auf die deutschen Gesellschafter entfallenden Gewerbeerträge der deutschen GewSt. Dies wird erreicht, indem nach innerstaatlichem Recht der Betrieb der Personengesellschaft gewerbesteuerlich nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 GewStG vollumfänglich als inländische Betriebsstätte anzusehen ist. Folglich entsteht auf ihre Einkünfte deutsche GewSt. Aufgrund dieses Inlandsbezugs scheidet auch eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG aus. Für Zwecke der ESt besteht in Deutschland eine unbeschränkte Steuerpflicht. Da infolge von Art. 5 Abs. 4 DBA-Niederlande bzw. nach Abkommensrevision Art. 7 Abs. 4 DBA Niederlande 2011 keine Betriebsstätte vorliegt, kann die Bundesrepublik Deutschland diese Einkünfte auch besteuern.
Rz. 148
Käme im Rahmen dieser Besteuerung der allgemeine Zuweisungsschlüssel für den GewSt-Messbetrag zur Anwendung, so würde ein Teil des Messbetrags auch auf den (die) niederländischen Gesellschafter entfallen. Da diese nicht der deutschen Besteuerung unterliegen, könnte eine Anrechnung dieser GewSt in Deutschland nicht erfolgen. Aufgrund der Freistellung verringerte sich folglich das Anrechnungspotenzial, welches auf die deutschen Personengesellschafter entfiele. Ein solches Ergebnis wurde als nicht sachgerecht angesehen, weil der gewerbesteuerpflichtige Gewerbeertrag voll durch den Inländer veranlasst wurde, aber nur quotal zu Anrechnungspotenzial führen würde. Einer weitergehenderen Besteuerung steht die Regelung in Art. 5 Abs. 4 DBA-Niederlande entgegen. Folglich muss hier der Aufteilungsschlüssel anders als in der Grundregel definiert werden. Der Gesetzgeber hat deshalb in § 35 Abs. 2 S. 3 EStG eine von der Regelbehandlung abweichende Zuordnung vorgesehen. Danach ist der volle Gewerbeertrag auf die in Deutschland steuerpflichtigen Mitunternehmer entsprechend ihrer Anteile am Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft aufzuteilen.
Rz. 149
Das Gesetz schreibt auch vor, wie die Aufteilung des auf den (die) ausl. Gesellschafter entfallenden Teils des GewSt-Messbetrags auf die inländischen Gesellschafter erfolgt: Hierfür ist auf das Verhältnis ihrer Anteile am Gewerbeertrag abzustellen. Folglich muss eine anteilige Aufteilung erfolgen, die den zivilrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel zugrunde legt. Hingegen wäre es nicht zulässig, den entsprechenden Betrag auf die Gesellschafter gleichmäßig "nach Köpfen" aufzuteilen, wenn dieses Verhältnis nicht dem Gewinnverteilungsschlüssel entspricht. Damit ist die folgende Formel anzuwenden:
Gewinnverteilungsschlüssel |
× |
GewSt-Messbetrag |
Anteil des Gewerbeertrags der Inländer |
Hierbei entspricht der Anteil am Gewerbeertrag der Inländer der Summe der prozentualen Gewinnverteilungsschlüssel der Inländer.
Rz. 150
Aufteilung des auf ausländischen Gesellschafter entfallenden Teils des GewSt-Messbetrags auf die inländischen Gesellschafter
An der ausschließlich im entsprechenden Gewerbegebiet tätigen DNL-OHG ist der in den Niederlanden unbeschränkt steuerpflichtige NL zu 1/3 und die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Personen D1 und D2 zu 1/2 bzw. 1/6 beteiligt. Es entsteht ein Gewinn von 120.000 EUR. Freibeträge, Hinzurechnungen und Kürzungen gleichen sich aus.