6.3.1 Allgemeines
Rz. 172
Der KapESt-Abzug hatte bis zur Einführung der Abgeltungsteuer im Hinblick auf die erfassten Erträge einen wesentlich geringeren Umfang. Die "neuen" KapESt-Tatbestände i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 und 8 bis 12 EStG erweitern diesen Kreis stark und sind darauf ausgerichtet, die Besteuerung der Kapitalerträge in möglichst großem Umfang bereits im Steuerabzugsverfahren vorzunehmen. Zudem hatte die bis zum 31.12.2008 erhobene KapESt auch für Privatanleger lediglich Vorauszahlungscharakter. Der KapESt-Abzug begründete stets einen Anrechnungsanspruch in Höhe der abgeführten Steuerbeträge im Rahmen der Veranlagung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) und konnte daher einheitlich und unabhängig von der Zugehörigkeit der Erträge zu einzelnen Einkunftsarten erfolgen.
Rz. 173
Die starke Ausweitung des Anwendungsbereichs der KapESt-Regelungen wird den abweichenden Bedürfnissen derjenigen Stpfl. nicht gerecht, bei denen die Kapitalerträge gem. § 20 Abs. 8 EStG in Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung umqualifiziert werden. Bei den Umsetzungsarbeiten zur Abgeltungsteuer hat sich zunehmend herausgestellt, dass bei den Gewinneinkünften besondere Umstände vorliegen, die abweichende Regelungen im Steuerabzugsverfahren gebieten.
Rz. 174
Während für private Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Verrechnung von Einnahmen, Gewinnen und Verlusten sowie eine Anrechnung ausl. Quellensteuer während des ganzen Kj. im Interesse des Anlegers zwingend durchgeführt wird, ist die Verlustverrechnung und Anrechnung ausl. Quellensteuer in den Fällen des § 20 Abs. 8 EStG nicht möglich (§ 43a Abs. 3 S. 7 EStG). Denn Einkünfte aus Kapitalvermögen, die zu anderen Einkunftsarten gehören, werden zwingend in der ESt-Veranlagung berücksichtigt. Eine Abgeltungswirkung des Steuerabzugs fehlt bei diesen Einkünften (§ 43 Abs. 5 S. 1 EStG). Die Berücksichtigung von Verlusten und ausl. Quellensteuern auf der Ebene der auszahlende Stelle ist daher weder notwendig noch geboten.
Die Berücksichtigung der Verluste und ausl. Quellensteuern im KapESt-Verfahren ist auch ausgeschlossen, weil Gewerbetreibende oftmals ein vom Kj. abweichendes Geschäftsjahr haben und eine auf das Kj. bezogene Verlustverrechnung zu einer steuerrechtlich unrichtigen Zuordnung zu den einzelnen Bemessungszeiträumen führen würde.
Rz. 175
Schließlich werden Options- und Termingeschäfte von betrieblichen Anlegern sowie von Vermietern meist zu Sicherungszwecken abgeschlossen und während ihrer regelmäßig mehrjährigen Laufzeit als schwebendes Geschäft behandelt. Insbesondere werden mit Options- und Termingeschäften Darlehen abgesichert, die der Finanzierung vermieteter Immobilien dienen. In einem Steuerabzug i. H. v. 25 % ohne Berücksichtigung von Verlusten sah der Gesetzgeber einen starken Interessenskonflikt und die Gefahr, bei den Unternehmen massive Liquiditätsprobleme hervorzurufen.
Rz. 176
Daher wurden verschiedene Befreiungsmöglichkeiten vom KapESt-Abzug für die ab 2009 neu hinzugekommenen Tatbestände geschaffen. Eine Befreiung kann nur für folgende Kapitalertragsteuertatbestände gewährt werden:
Rz. 177
Die formellen Voraussetzungen, unter denen die Befreiung vom KapESt-Abzug gem. § 43 Abs. 2 S. 3 ff. EStG gewährt wird, sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Es ist danach zu differenzieren, welcher Rechtsform der Gläubiger angehört.
6.3.2 Freistellung betrieblicher Konten bzw. Depots von natürlichen Personen und Personengesellschaften
6.3.2.1 Allgemein
Rz. 178
Gehören die in Rz. 176 aufgelisteten Kapitalerträge zu den Einnahmen eines inländischen Betriebsvermögens, so können die betreffenden Stpfl. die Zugehörigkeit der Kapitalerträge zum Betriebsvermögen mit einer "Freistellungserklärung" bestätigen (§ 43 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 EStG). Dasselbe gilt, wenn diese Kapitalerträge zu den Betriebseinnahmen einer Personengesellschaft bzw. eines Mitunternehmers gehören. Dabei kann die Freistellungserklärung sowohl kunden- als auch konten- bzw. depotbezogen abgegeben werden.
Rz. 179
Die Freistellung der KapESt-Tatbestände kann bei Treuhandkonten und -depots nicht angewendet werden. Treuhandkonten bzw. -depots sind für Zwecke der Verlustverrechnung und Anrechnung ausl. Quellensteuer wie Privatkonten zu behandeln. Dies ist notwendig, weil Kreditinstitute den Treugeber regelmäßig nicht kennen. Kreditinstitute sind nach § 8 Abs. 1 GwG zwar zur Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten verpflichtet. Hierzu gehört allerdings nicht die Zuordnung ...