1 Allgemeines
1.1 Überblick
Rz. 1
§ 44 EStG ist die zentrale Vorschrift für das KapESt-Abzugsverfahren. Daher hat die Norm besondere Praxisbedeutung für die in § 44 Abs. 1 S. 3 EStG definierten auszahlenden Stellen, wie etwa Banken, denen von § 44 Abs. 1 EStG die Durchführung des KapESt-Abzugsverfahrens auferlegt wird. Das KapESt-Abzugsverfahren nach den §§ 43ff. EStG besteht aus Sicht einer auszahlenden Stelle (chronologisch gesehen) im Wesentlichen aus den nachfolgenden Pflichten/Tatbeständen.
Chronologischer Überblick über das KapESt-Abzugsverfahren nach §§ 43ff. EStG:
- Ermittlung der Entstehung der KapESt bei Zufluss der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 1, 2 und 3 i. V. m. § 43 EStG, § 43a EStG sowie § 20 EStG),
- Bemessung der KapESt (Steuersatz), Pflichten zur Mitteilung/Berücksichtigung von Anschaffungsdaten bei Depotüberträgen und Anrechnung ausländischer Steuern (§ 43a EStG),
- Einbehaltung der KapESt (§ 44 Abs. 1 i. V. m.§ 43a EStG),
- Anmeldung der KapESt (§ 45a Abs. 1 EStG),
- Entrichtung/Abführung der KapESt (§ 44 Abs. 1 EStG),
- Bindung der auszahlenden Stellen im KapESt-Abzugserfahren an (die im BStBl veröffentlichten) Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung (§ 44 Abs. 1 S. 3 EStG),
- Abstandnahme vom KapESt-Abzug, etwa bei Freistellungsaufträgen oder NV-Bescheinigungen (§ 44a EStG),
- KiSt-Abzugsverpflichtung nach dem KiSTAM-Verfahren (§ 51a Abs. 2c EStG) sowie verfahrensrechtliche Besonderheiten (§ 51a Abs. 2d und 2e EStG),
- Bescheinigung der KapESt und Übermittlung der Steuerbescheinigung (§ 45a Abs. 2 und 3 EStG),
- Haftungstatbestände zur Inanspruchnahme der auszahlenden Stellen bzw. der Aussteller einer Steuerbescheinigung (§ 44 Abs. 5, § 44b Abs. 6 S. 2 und § 45a Abs. 7 EStG),
Kontrollverfahren der Finanzverwaltung bezüglich des KapESt-Abzugsverfahrens:
- Meldeverfahren für unentgeltliche Depotübertrage (§ 43 Abs. 1 S. 6 EStG i. V. m. § 93c AO),
- Meldeverfahren für "betriebliche Freisteller" (§ 43 Abs. 2 S. 7 EStG i. V. m. § 93c AO) und
- Freistellungskontrollverfahren (§ 45d EStG i. V. m. § 93c AO),
- Korrekturen des KapESt-Abzugs (§ 43a Abs. 3 S. 7 EStG),
- Regelungen zur Erstattung der KapESt ( § 44b EStG) sowie
- KapESt-Entlastung auf Dividenden und andere Gewinnausschüttungen, die einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, oder einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU gelegenen Betriebsstätte dieser Muttergesellschaft, aus Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft zufließen (§ 43b EStG) sowie das Verfahren zur KapESt-Entlastung mit gesonderten Voraussetzungen sowie Ausnahmetatbeständen (§ 50d Abs. 1 bis 3 EStG).
1.2 Systematik
Rz. 1a
§ 44 Abs. 1 EStG enthält Vorschriften über die Entrichtung/Abführung der KapESt unter Bezugnahme auf die in § 43 Abs. 1 EStG i. V. m. § 20 EStG geregelten einzelnen Steuerabzugstatbestände. Dabei bestimmt § 44 Abs. 1 EStG den Schuldner der KapESt, den Zeitpunkt der Entstehung und Einbehaltung der KapESt sowie den zum Einbehalt und Abführung der KapESt-Verpflichteten. Schließlich wird auch der Zeitpunkt der Abführung der einbehaltenen KapESt an die Finanzverwaltung geregelt (zur Vereinheitlichung der KapESt vgl. § 43 EStG Rz. 21ff.; zu den verschiedenen Kapitalerträgen, von denen in den Fällen des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 7b und 8 bis 12 sowie S. 2 EStG die KapESt einzubehalten ist, vgl. § 43 EStG Rz. 25ff.).
Rz. 1b
§ 44 Abs. 1a EStG[1] begründet für sog. "Cum-ex-Geschäfte" im Falle der Einbindung einer ausl. depotführenden Stelle aufseiten des Leerverkäufers eine besondere Steuerabführungsverpflichtung für die inländische Wertpapiersammelbank. Mit diesem "freiwilligen" Steuereinbehalt sollen Veranlagungsfälle nach § 32d Abs. 3 S. 1 EStG vermieden werden.
Rz. 1c
§ 44 Abs. 2 und 3 EStG regelt den Zeitpunkt des Zuflusses und damit den Zeitpunkt der Entstehung der KapESt für Dividenden und anderweitige von einer Körperschaft ausgeschüttete Gewinnanteile i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sowie für Einnahmen aus stillen Beteiligungen.
Rz. 1d
§ 44 Abs. 4 EStG regelt den Zeitpunkt für die Vornahme des Steuerabzugs für den Fall einer Stundungsvereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner des Kapitalertrags.
Rz. 1e
§ 44 Abs. 5 EStG regelt die materiellen Voraussetzungen für die Haftung der auszahlenden Stelle bzw. des Schuldners für die Abführung der KapESt und für die Inanspruchnahme des Gläubigers der Kapitalerträge.
Rz. 1f
Zu welchem Steuersatz die KapESt jeweils einzubehalten ist sowie Pflichten zur Mitteilung/Berücksichtigung von Anschaffungsdaten bei Depotüberträgen und der Anrechnung ausl. Steuern bestimmt § 43a EStG.
Rz. 1g
Die Vorschriften, die bei der Anmeldung der KapESt und beim Erteilen der über die einbehaltene KapESt auszustellenden KapESt-Bescheinigung zu beachten sind, enthält § 45a EStG.
1.3 Zweck der Regelung
Rz. 2
§ 44 EStG dient zunächst der Verpflichtung der auszahlenden Stellen zur Durchführung des KapESt-Abzugs. In diesem Zusammenhang werden den auszahlenden Stellen daneben weitere Verpflichtungen auferlegt. Hintergrund ist, dass d...
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