Rz. 51
Verstöße gegen die Übermittlungspflicht des § 45b Abs. 4 S. 1 EStG i. V. m. § 93c Abs. 1 AO können mehrere mögliche Rechtsfolgen haben.
10.10.1 "Ermittlungsrecht" der Finanzbehörde nach § 93c Abs. 4 S. 1 AO
Rz. 52
Die "nach den Steuergesetzen zuständige Finanzbehörde" hat gegenüber der übermittlungspflichtigen Stelle i. S. d. § 93c Abs. 1 AO nach § 93c Abs. 4 S. 1 AO ein sog. "Ermittlungsrecht". Dies umfasst nach § 93c Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und 2 AO die Befugnis zu ermitteln, ob die übermittlungspflichtige Stelle die nachfolgenden Pflichten erfüllt:
Nicht im Rahmen des § 93c Abs. 4 AO ermittelt werden kann dagegen die Einhaltung der Informationspflicht gem. § 93c Abs. 1 Nr. 3 AO gegenüber dem Übermittlungspflichtigen.
Die Finanzbehörde kann die Einhaltung der Pflichten auch im Rahmen der ausdrücklich für die Drittübermittlungspflichten eingeführte Befugnis zur Außenprüfung nach § 203a AO kontrollieren (Rz. 53). Das Ermittlungsrecht nach § 93c Abs. 4 AO erlaubt daher der Finanzbehörde eine Ermittlung vorzunehmen ohne die formalen Voraussetzungen der Außenprüfung erfüllen zu müssen (etwa die Prüfungsanordnung nach § 196 AO). Ausweislich der Gesetzesbegründung des AbzStEntModG können die Ermittlungen können sowohl an Amtsstelle als auch nach § 203a AO im Rahmen einer Außenprüfung erfolgen. Nach § 93c Abs. 4 S. 2 AO bleiben die Rechte und Pflichten der für die Besteuerung des Stpfl. zuständigen Finanzbehörde hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts unberührt. § 93c Abs. 4 S. 2 AO stellt klar, dass die für die Besteuerung des betroffenen Stpfl. zuständige Finanzbehörde den Sachverhalt unabhängig von der Prüfung nach § 93c Abs. 4 S. 1 AO in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüfen kann.
Als die "nach den Steuergesetzen zuständige Finanzbehörde" i. S. d. § 93c Abs. 4 S. 1 AO für das Ermittlungsrecht wird nach der Vorschrift des § 93c Abs. 5 AO "die für die Entgegennahme der Daten zuständige Finanzbehörde" bestimmt. § 93c Abs. 5 AO bestimmt als zuständige Finanzbehörde für das Ermittlungsrecht nach § 93c Abs. 4 AO damit grundsätzlich die für die Entgegennahme der Daten nach den Einzelsteuergesetzen zuständige Finanzbehörde. Dies ist im Falle der Meldeverpflichtung gem. § 45b Abs. 4 EStG i. V. m. § 93c Abs. 1 AO nach dem Wortlaut des § 45b Abs. 4 S. 1 EStG das Bundeszentralamt für Steuern.
10.10.2 Befugnis zur Außenprüfung der Finanzbehörde nach § 93c Abs. 4 S. 2 i. V. m. § 203a AO
Rz. 53
Parallel zum Ermittlungsrecht nach § 93c Abs. 4 AO wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens mit § 203a AO eine Befugnis zur "Außenprüfung bei Datenübermittlung durch Dritte" eingeführt. Der sachliche Umfang der Außenprüfung gegenüber der Bank als mitteilungspflichtigen Stelle besteht in der Ermittlung, ob diese die nachfolgenden Pflichten erfüllt hat:
- Übermittlungspflicht innerhalb der Frist nach § 93c Abs. 1 Nr. 1 AO,
- die zu übermittelnden Daten nach § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO,
- Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht nach § 93c Abs. 1 Nr. 4 AO und
- die Voraussetzung des Unterbleibens einer Meldung nach § 93c Abs. 2 AO,
- Korrektur- bzw. Stornierungspflicht nach § 93c Abs. 3 AO, und ob
- die Bank den Inhalt des Datensatzes nach den Vorgaben des jeweiligen Steuergesetzes bestimmt hat.
Die Einhaltung der Informationspflicht gem. § 93c Abs. 1 Nr. 3 AO gegenüber dem Stpfl. ist – wie beim Ermittlungsrecht i. S. d. § 93c Abs. 4 AO – nicht zulässiger Gegenstand einer Außenprüfung nach § 203a AO. Dagegen kann in einer Außenprüfung gem. § 203a AO die Voraussetzung des Unterbleibens einer Meldung nach § 93c Abs. 2 AO überprüft werden, was vom Ermittlungsrecht gem. § 93c Abs. 4 AO nicht umfasst ist.
Nach § 203a Abs. 2 AO wird die Außenprüfung von der für Ermittlungen nach § 93c Abs. 4 S. 1 zuständigen Finanzbehörde durchgeführt. Dies ist die für die Entgegennahme der Daten nach den Einzelsteuergesetzen zuständige Finanzbehörde. Im Falle der Meldeverpflichtung gem. § 45b Abs. 4 EStG i. V. m. § 93c Abs. 1 AO ist zuständige Finanzbehörde nach dem Wortlaut des § 45b Abs. 4 S. 1 EStG das BZSt.
Nach § 45b Abs. 4 S. 1 EStGi. V. m. § 203a Abs. 2 AO gelten § 195 S. 2 und die §§ 196 bis 203 AO entsprechend, d. h. die (allgemeinen) Regelungen des sachlichen Umfangs der Außenprüfung in §§ 193, 194 AO sind nicht anwendbar. Hintergrund ist, dass die allgemeinen Regeln der §§ 193, 194 AO von § 45b Abs. 4 S. 1 EStG i. V. m. § 203a Abs. 1 AO als lex specialis "überschrieben" werden. Wie in Rz. 52 dargestellt, ist das Ermittlungsrecht nach § 93c Abs. 4 AO weitergehender als die Außenprüfung. Anwendbar sind dagegen etwa die Vorschriften der Prüfungsanordnung (§ 196 AO), die sog. "Prüfungsgrundsätze" nach § 199 A...