Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 57
§ 4h Abs. 2 S. 1 EStG enthält drei verschiedene Ausschlussregeln für die Zinsschranke. Diese Ausschlussregeln beziehen sich jeweils auf das laufende Wirtschaftsjahr, d. h., sie sind für jedes Wirtschaftsjahr gesondert anzuwenden. Andererseits erfassen diese Ausschlussbestimmungen den zu dem Zeitpunkt, zu dem sie verwirklicht sind, jeweils vorhandenen Bestand an Zinsen, d. h. die Zinsaufwendungen des laufenden Jahrs und einen etwa vorhandenen Zinsvortrag. Wenn daher der Saldo der Zinsaufwendungen über den Zinserträgen und der Zinsvortrag unter der Kleinbetragsgrenze liegt, wenn der Betrieb im maßgebenden Wirtschaftsjahr nicht zu einem Konzern gehört, oder wenn für ein Wirtschaftsjahr die Escape-Klausel eingreift, können alle Zinsen einschließlich des Zinsvortrags abgezogen werden. Ist der Tatbestand einer Ausschlussregel erfüllt, tritt daher die Rechtsfolge ein, dass der gesamte Zinsaufwand abzugsfähig ist. Das umfasst nicht nur den Zinsaufwand des laufenden Jahres, sondern auch den vorgetragenen Zinsaufwand der Vorjahre. Soweit durch den Abzug dieses kumulierten Zinsaufwands ein Verlust entsteht, ist dieser nach § 10d EStG vortragsfähig.
Rz. 57a
Alle drei Ausschlusstatbestände des § 4h Abs. 2 EStG sind unabhängig voneinander anzuwenden. Die Zinsschranke ist schon dann nicht anzuwenden, wenn nur einer der drei Tatbestände erfüllt ist (arg. "oder").
Rz. 57b
Nach § 4h Abs. 1 S. 7 EStG sind die Ausschlussregeln des Abs. 2 nicht anwendbar, soweit Zinsaufwendungen aufgrund eines Zinsvortrags erhöht wurden. Dies bedeutet, dass ein Zinsaufwand wegen Überschreitens der Zinsschrankengrenze auch dann nicht abziehbar ist, wenn an sich ein Ausschlusstatbestand des § 4h Abs. 2 EStG erfüllt ist. Die Regelung betrifft Fälle, in denen Zinsaufwendungen im Entstehungsjahr nicht abziehbar waren, weil kein Tatbestand des Abs. 2 erfüllt worden war und daher ein Zinsvortrag entstanden ist. Dann kann der Fall eintreten, dass im Vortragsjahr ein Tatbestand des § 4h Abs. 2 EStG erfüllt ist, etwa der Betrieb nicht mehr zu einem Konzern gehört oder die Escape-Voraussetzungen erfüllt sind. Dann würden die Zinsaufwendungen im Vortragsjahr wegen Eingreifens einer Ausschlussregelung abzugsfähig werden, obwohl im Zinsentstehungsjahr keiner der Tatbestände einer Ausschlussregelung erfüllt war. Dies soll § 4h Abs. 1 S. 7 EStG verhindern. Wenn die Zinsaufwendungen des Abzugsjahres um einen Zinsvortrag erhöht worden ist, greifen die Ausschlusstatbestände in Höhe des Zinsvortrages nicht ein. In Höhe des im Abzugsjahres entstandenen Nettozinsaufwandes bleiben die Ausschlussregeln aber anwendbar. Dies ergibt sich aus dem Wort "soweit" in § 4h Abs. 1 S. 7 EStG. Im Ergebnis kann der Zinsvortrag nur genutzt werden, wenn im Abzugsjahr ausreichendes verrechenbares EBITDA vorhanden ist.