Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 72
§ 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. c EStG enthält eine wichtige, aber auch besonders komplizierte Ausnahme von der Zinsschranke. Grundgedanke dieser Ausnahmeregelung ist, dass die Regelung über die Zinsschranke verhindern soll, dass innerhalb eines internationalen Konzerns das im Inland ansässige Unternehmen (Tochtergesellschaft, Betriebsstätte) überproportional mit Fremdkapital finanziert und dadurch das der relativ hohen deutschen Steuerbelastung unterliegende Besteuerungspotenzial überproportional vermindert wird, während andere dem Konzern angehörige (und einer niedrigeren Steuerbelastung unterliegende) Betriebe (Muttergesellschaft, Tochtergesellschaften, andere Betriebsstätten) in stärkerem Maß mit Eigenkapital finanziert werden und dadurch einen geringeren Zinsaufwand haben. Andererseits räumt der Gesetzgeber dem Konzern damit die Möglichkeit ein, einen angemessenen Teil der Verbindlichkeiten des Konzerns dem inländischen Betrieb zuzuordnen.
Rz. 72a
Aus diesem Zweck folgt die Regelung des § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. c EStG. Wenn der Betrieb zu einem Konzern gehört, ist die Regelung über die Zinsschranke nicht anwendbar, wenn die Eigenkapitalquote des inländischen Betriebs am Schluss des vorangegangenen Bilanzstichtags gleich hoch oder höher ist als die des Gesamtkonzerns. Eine geringfügige Unterschreitung der Eigenkapitalquote des Gesamtkonzerns schadet nicht. Die Vorschrift zielt also darauf ab, dass der deutsche Betrieb nicht ungünstiger (mit mehr Fremdkapital) finanziert wird als der Durchschnitt aller konzernangehörigen Betriebe.
Rz. 72b
Fraglich ist, welcher Konzernbegriff ab Vz 2024 anzuwenden ist. In § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. b EStG ist der Konzernbegriff durch G. v. 22.12.2023 geändert worden, indem für den Begriff des verbundenen Unternehmens (Konzern) auf § 1 Abs. 2 AStG verwiesen wird (Rz. 71c). Der Begriff der nahestehenden Personen in § 1 Abs. 2 AStG geht über den Begriff des Konzerns hinaus, da auf eine Beteiligung ab 25 % abgestellt wird und damit auch teilkonsolidierte und nicht konsolidierte Beteiligungen einbezogen werden. Entsprechendes gilt für die Tatbestände des § 1 Abs. 2 Nr. 2-4 AStG, in denen auch nicht konsolidierungsfähige Unternehmen und natürliche Personen nahestehende Personen sein können. Durch das Gesetz v. 22.12.2023 ist der Konzernbegriff des § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. c EStG nicht geändert worden; insbesondere ist nicht auf die neue Regelung des § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. b EStG verwiesen worden. Daher hat sich der Konzernbegriff der Escape-Klausel nicht geändert. Anders jedoch Begründung des Gesetzentwurfs, wonach sich die Änderung des Konzernbegriffs auch für die Escape-Regelung gelten soll.
M. E. ist das nicht richtig, da § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. b EStG keine Legaldefinition des Begriffs "Konzern" enthält und in der Neuregelung diesen Begriff nicht mehr verwendet. Der Wortlaut des § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. c EStG, der ausdrücklich auf den handelsrechtlichen Konzernbegriff abstellt, verbietet es daher, diesen Begriff i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG zu verstehen. Außerdem würden andernfalls Probleme entstehen, für die aus der gesetzlichen Regelung eine Lösung nicht ableitbar wäre. So wäre nicht zu ermitteln, wie für nahestehende Personen nach § 1 Abs. 2 AStG, die nicht konsolidierbar sind, der Eigenkapitalvergleich durchzuführen wäre.
Daraus ergibt sich, dass die Regelung über Betriebsstätten in § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. b EStG in dem Fall nicht anwendbar ist, in dem der Stpfl. nur über Betriebsstätten in anderen Staaten verfügt, aber nicht über konsoliderungsfähige Beteiligungen. In diesem Fall liegt kein "Konzern" i. S. d. § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. c EStG vor, sodass der Escape nicht anwendbar ist. In diesem Fall ist nur die Regelung über das Dotationskapital von Betriebsstätten in § 1 Abs. 6 AStG und §§ 12, 13, 20, 21, 25, 26 BsGaV anwendbar. Soweit es sich jedoch um einen Konzern handelt, weil das Mutterunternehmen neben Betriebsstätten auch über konsolidierungsfähige Beteiligungen verfügt, sind Betriebsstätten als selbstständige Betriebe i. S. d. Zinsschranke nach § 4h Abs. 3 S. 4 EStG in den Eigenkapitalvergleich einzubeziehen.
Rz. 72c
Das Gesetz fordert damit, dass der inländische Betrieb im gleichen Verhältnis finanziert wird wie der Durchschnitt des Konzerns. Unterschiede im Aufgabenbereich, die eine unterschiedliche Finanzierungsstruktur erforderlich machen können, werden damit nicht berücksichtigt. Es wird nicht auf eine angemessene oder betriebswirtschaftlich notwendige oder sinnvolle oder marktübliche Finanzierungsstruktur abgestellt, sondern auf die tatsächliche durchschnittliche Konzernfinanzierungsstruktur.
Rz. 73
§ 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. c EStG greift nur ein, wenn der Betrieb zu einem Konzern gehört. Diese Einschränkung ist selbstverständlich, da nur dann die Ermittlung einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote für den Gesamtkonzern und der Vergleich dieser Quote mit dem einer einzelnen Gesellschaft sinnvoll sind. Gehört der Betrieb nicht zu einem Konzern, greift die ...