Rz. 110
§ 4j EStG sollte mit der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie vereinbar sein. Die Zins- und Lizenzrichtlinie befreit die Lizenzeinnahmen des Vergütungsempfängers von der Quellensteuer und begünstigt damit den Gläubiger der Lizenzzahlung. Da § 4j EStG den Betriebsausgabenabzug jedoch beim Schuldner der Lizenzzahlung einschränkt, steht § 4j EStG nicht in Konflikt mit der Zins-und Lizenzrichtlinie. Untermauernd könne in diesem Zusammenhang auch das Urteil des EuGH herangezogen werden, mit dem dieser die Vereinbarkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung für Zinsaufwendungen nach § 8 Nr. 1 GewStG mit der Zins-und Lizenzrichtlinie bestätigt hat.
Rz. 111
Fraglich erscheint, ob § 4j EStG mit den europäischen Grundfreiheiten im Einklang steht. Zwar begrenzt der Wortlaut die Anwendung von § 4j EStG nicht auf grenzüberschreitende Lizenzzahlungen, sondern fordert lediglich die Niedrigbesteuerung der Lizenzeinnahmen des Gläubigers aufgrund einer Präferenzregelung. Tatsächlich werden von der Vorschrift aber nur grenzüberschreitende Lizenzzahlungen aus Deutschland ins Ausland erfasst, da das deutsche Steuerrecht aktuell keine solche Präferenzregelung kennt und somit in Deutschland ansässige Gläubiger faktisch von der Norm ausgeschlossen sind. Im Ergebnis können nur Lizenzzahlungen ins Ausland durch die Abzugsbeschränkung nach § 4j EStG erfasst werden.
Rz. 112
Als Rechtfertigung für einen potenziellen Eingriff in die EU-Grundfreiheiten kommen zwingende Gründe des Gemeinwohls in Betracht, wie etwa die Abwehr steuerlicher Missbrauchsgestaltungen (Rz. 106). Hiermit einher geht jedoch das Erfordernis einer Exkulpationsmöglichkeit durch Substanznachweis im konkreten Einzelfall (wie ihn etwa § 8 Abs. 2 AStG vorsieht). Zweifelhaft erscheint, ob die Ausnahmeregelung nach § 4j Abs. 1 S. 4 EStG, wonach das (Teil-)Abzugsverbot nicht greift, wenn die (ausl.) Lizenzbox-Regelung dem OECD-Nexus-Ansatz entspricht, die Anforderungen an solch einen einzelfallbezogenen Substanznachweis an das Verhalten des Lizenzgebers erfüllen kann (Rz. 106).
Rz. 112a
Überlegungen hinsichtlich der Frage, ob in der Ausnahmeregelung nach § 4j Abs. 1 S. 4 EStG eine unionsrechtswidrige Beihilfe i. S. d. Art. 107ff. AEUV gesehen werden kann, können nunmehr in Anbetracht der mittlerweile ergangenen EuGH-Rspr. abgerundet werden. Lt. EuGH ist die sog. Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG keine unzulässige staatliche Beihilfe i. S. d. Art. 107 AEUV. Begründet ist die Entscheidung damit, dass der Referenzrahmen (allgemeine Regel) für die Beurteilung als schädliche Beihilfe nicht die Vorschrift über den Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 KStG ist. § 8c Abs. 1 KStG ist nur eine Ausnahme von der allg. Regel über die periodenübergreifende Verlustnutzung (§ 10d EStG). Auf letztere ist als Referenzsystem abzustellen. § 8c Abs. 1a KStG ist eine diese allg. Regel bestätigende Rückausnahme und kann daher nicht in unzulässiger Weise von dieser abweichen. Überträgt man die EuGH-Entscheidung über das Regelungstrias "§ 10d EStG – § 8c Abs. 1 KStG – § 8c Abs. 1a KStG" auf § 4j EStG, kann die Ausnahmeregelung nach § 4j Abs. 1 S. 4 EStG keine staatliche Beihilfe sein. Analog zu § 8c Abs. 1 KStG sollte das (Teil-)Abzugsverbot von § 4j Abs. 1 S. 1 und 2 EStG nur eine Ausnahme vom allg. Grundsatz des Betriebsausgabenabzugs nach § 4 Abs. 4 EStG sein und damit nicht als Referenzsystem für die Beurteilung einer unzulässigen staatlichen Beihilfe infrage kommen. Referenzrahmen (allg. Regel) sollte der Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 EStG selbst sein. § 4j Abs. 1 S. 4 EStG ist dementsprechend nur eine systembestätigende Rückausnahme und kann daher nicht selektive Beihilfe sein.