Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 39
Für die Entlastung von Kapitalerträgen nach einem DBA enthält § 50c Abs. 2 S. 5 EStG eine besondere Einschränkung. Das Freistellungsverfahren ist danach nur anwendbar, wenn der Vergütungsgläubiger eine im anderen Vertragsstaat ansässige stpfl. Kapitalgesellschaft ist, die an der im Inland ansässigen ausschüttenden Kapitalgesellschaft zu mindestens 10 % beteiligt ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird keine Freistellungsbescheinigung erteilt, sodass der Steuerabzug durchzuführen ist.
Rz. 40
Diese Einschränkung betrifft nur die Entlastung von der KapESt, also nicht die Entlastung vom Steuerabzug nach § 50a EStG, und sachlich nur die Entlastung aufgrund eines DBA. Nicht betroffen ist daher die Entlastung aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie bzw. des § 43b EStG. Die DBA enthalten eine Entlastungsmöglichkeit aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs, wodurch die Abzugsteuer regelmäßig auf 0 gesenkt wird, und für Portfolio-Dividenden. Bei letzteren reduziert ein DBA die KapESt regelmäßig von 25 % auf 15 %, wobei diese Entlastung sowohl Körperschaften als auch natürlichen Personen zusteht.
Rz. 41
Das Freistellungsverfahren ist nur anwendbar, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine Kapitalgesellschaft ist. Diese Regelung ist insoweit nicht zweifelsfrei, als es sich bei dem Gläubiger regelmäßig um eine ausl. Rechtsform handelt, der Ausdruck "Kapitalgesellschaft" sich aber nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auf die Societas Europaea (SE) und die deutschen Rechtsformen bezieht. Man wird die Regelung so verstehen müssen, dass die ausl. Gesellschaft eine Rechtsform aufweisen muss, die nach dem Rechtstypenvergleich einer deutschen Kapitalgesellschaft entspricht.
Andere Körperschaften, die Gläubiger der Kapitalerträge sind, wie Genossenschaften, vom Freistellungsverfahren ausgeschlossen, auch wenn sie Körperschaften sind. Hinzu kommen muss, dass die Kapitalgesellschaft, die Gläubiger der Kapitalerträge ist, in ihrem Ansässigkeitsstaat den Steuern vom Einkommen oder Gewinn unterliegt, ohne davon befreit zu sein. Dies bezieht sich auf eine persönliche Steuerbefreiung, d. h. es kommt darauf an, ob der ausl. Gläubiger von der Steuer befreit ist. Dagegen schadet eine sachliche Steuerbefreiung, die etwa § 8b Abs. 1 KStG entspricht, nicht. Es kommt also nur darauf an, ob die ausl. Kapitalgesellschaft der Steuer unterliegt, nicht darauf, ob die Kapitalerträge tatsächlich besteuert werden.
Rz. 42
Weitere Voraussetzung ist, dass dem Gläubiger der Kapitalerträge diese von einer unbeschränkt stpfl. Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zufließen. Auch der Schuldner der Kapitalerträge muss also eine Kapitalgesellschaft sein; Auskehrungen einer Genossenschaft oder einer anderen Körperschaft qualifiziereren nicht für das Freistellungsverfahren. Diese Kapitalgesellschaft muss in Deutschland unbeschränkt stpfl. sein, muss also Sitz oder Geschäftsleitung im Inland haben. Dagegen ist nicht erforderlich, dass sie nach dem jeweils anwendbaren DBA auch im Inland ansässig ist. Daher kann das Freistellungsverfahren auch für doppelt ansässige Kapitalgesellschaften greifen, wenn die Reduzierung der KapESt für solche Gesellschaften nicht durch DBA ausgeschlossen ist. Außerdem muss dem Gläubiger der Kapitalerträge diese auch tatsächlich zufließen.
Rz. 43
Außerdem muss der Gläubiger an dem Nennkapital des Schuldners zu mindestens 10 % beteiligt sein. Dies bezieht sich auf das internationale Schachtelprivileg, das nach den DBA regelmäßig eine Beteiligung von 10 % voraussetzt. Das Gesetz macht die Anwendung des Freistellungsverfahrens aber nicht von den Voraussetzungen des internationalen Schachtelprivilegs abhängig, sondern nur von einer Beteiligung von mindestens 10 %. Besteht eine Beteiligung in dieser Höhe, ist das Freistellungsverfahren auch anwendbar, wenn das anwendbare DBA die Grenze für das Schachtelprivileg mit 25 % ansetzt. Das Freistellungsverfahren betrifft dann eine Reduzierung der KapESt auf 15 % nach der Vorschrift für Portfolio-Beteiligungen. Eine Beteiligung in der erforderlichen Höhe muss im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung vorliegen. Es ist also nicht erforderlich, dass sie bereits zu Beginn des Kj. in dieser Höhe besteht. Andererseits genügt für die Anwendung des Freistellungsverfahrens ein Erwerb der Beteiligung mit Rückwirkung nach § 8b Abs. 4 S. 6 KStG nicht. Die Höhe der Beteiligung kann auch nicht durch Zusammenrechnung von unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen oder bei Verbundgruppen erreicht werden.
Rz. 44
Für das internationale Schachtelprivileg hat die Regelung folgende Auswirkungen. Die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach DBA dürften denjenigen nach § 50c Abs. 2 S. 5 EStG regelmäßig entsprechen, sodass insoweit das Freistellungsverfahren eröffnet ist. Abweichungen können sich ergeben, wenn die ausl. Körperschaft zwar "Gesellschaft" i. S. d. DBA ist, nicht aber Kapitalgesellschaft. Weiter ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des internationalen Schachtelprivilegs das Freist...