Prof. Dr. iur. Swen O. Bäuml
Rz. 81f
Bezüglich § 50i Abs. 1 EStG soll ausweislich der Gesetzesbegründung die unechte Rückwirkung nicht verfassungswidrig sein. Den betroffenen Stpfl. sei bewusst gewesen, dass sie die Besteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt des Wegzugs, der Umstrukturierung oder des vermeintlichen Ausschlusses bzw. eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern oder Anteilen zwar zunächst vermeiden könnten.
Rz. 81g
Grundlegende Voraussetzung dafür wäre bekanntermaßen gewesen, dass es in den Fällen des § 50i Abs. 1 EStG zu einer späteren Besteuerung der Veräußerungsgewinne komme, und zwar auch dann, wenn der Einzelunternehmer oder der Gesellschafter ins Ausland verzieht oder im Ausland ansässig ist. Die (zeitlich nachgelagerte) Besteuerungsfolge (Besteuerungsaufschub) sowie der untrennbare Zusammenhang zwischen Nichtbesteuerung stiller Reserven und späterer Gewinnbesteuerung soll danach den betroffenen Stpfl. durchaus bewusst gewesen sein. Ein schutzwürdiges Vertrauen betroffener Stpfl., das eine echte Rückwirkung verbieten würde, ist nach Meinung des Gesetzgebers mithin nicht entstanden.
Vielmehr seien sowohl die Stpfl. als auch die Finanzverwaltung selbst davon ausgegangen, dass sie die Abschirmwirkung gegen eine Besteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt des Wegzugs, der Umstrukturierung oder des vermeintlichen Ausschlusses oder der vermeintlichen Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts durch "Zwischenschaltung" einer gewerblich geprägten Personengesellschaft zunächst erreichen könnten. Dafür sei die deutsche Besteuerung im späteren Veräußerungsfall und ebenso die uneingeschränkte deutsche Besteuerung der laufenden Einkünfte hinzunehmen. Die zeitliche Anwendungsregelung beschränkt sich entsprechend dieses Ziels auf "Altfälle".
Rz. 81h
Dies wird zumindest teilweise im Schrifttum bezweifelt, zumal auch während der Ansässigkeit der Gesellschafter im Ausland entstehende stille Reserven abkommensüberschreibend der deutschen Besteuerung unterliegen sollen. Doch ist zu beachten, dass von dem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze nach ständiger Rspr. des BVerfG Ausnahmen bestehen. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war.
Rz. 81i
Geltung beansprucht diese Aussage auch für die ergänzende Aufnahme von Umstrukturierungen i. S. d. § 20 UmwStG im neuen § 50i Abs. 1 S. 2 EStG. Obwohl auch die ursprüngliche Fassung der Vorschrift Umstrukturierungen i. S. d. § 20 UmwStG erfassen sollte, bestanden Zweifel, ob die Tatbestandsbeschreibung des § 50i EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG, die die Begriffe "Übertragung" und "Überführung" verwendet, auch die Gewährung neuer Anteile an einer Kapitalgesellschaft als Gegenleistung für eine Einbringung des Geschäftsbetriebs einer Personengesellschaft im Rahmen des § 20 UmwStG erfasst. Bei der Einfügung des neuen S. 2 in § 50i Abs. 1 EStG handelt es sich aus Sicht des Gesetzgebers demnach ebenfalls nur um eine Klarstellung.
Rz. 82 einstweilen frei
Rz. 83
Die verfassungsrechtliche Problematik von "Treaty Overrides" insgesamt ist davon unberührt. Grundsätzliche europarechtliche Bedenken gegenüber "Treaty Overrides" im Allgemeinen und § 50i EStG im Besonderen bestehen nicht.