Dipl.-Finanzwirt Kirsten Happe
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch das JStG 1996 im Zusammenhang mit der Umgestaltung des bisherigen Kinderlastenausgleichs zum sog. Familienleistungsausgleich mit Geltung ab Vz 1996 eingefügt (zur Rechtsentwicklung s. § 31 EStG Rz. 3ff.).
Durch das (erste) Zuwanderungsgesetz v. 20.6.2002 wurde in Abs. 2 der Anspruch von Ausländern auf Kindergeld mit Wirkung ab 2003 neu geregelt. Dieses Gesetz wurde vom BVerfG wegen Verstoßes gegen Art. 78 GG (fehlerhafte Abstimmung im Bundesrat) für verfassungswidrig und nichtig erklärt und hat damit keine Geltung erlangt. Die bisherige Fassung vor der Änderung durch das Zuwanderungsgesetz galt daher bis Ende 2004 weiter.
Das (neue) Zuwanderungsgesetz v. 30.7.2004 hat zu der bereits in dem G. v. 20.6.2002 vorgesehenen Regelung in Abs. 2 mit Geltung ab Vz 2005 geführt. Die Neufassung passte Abs. 2 an das ab 2005 geltende neue AufenthG an, mit dem das bisherige AuslG abgelöst wurde. Das AufenthG reduziert die Zahl der Aufenthaltstitel auf zwei. Statt der vier Arten der Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG: Aufenthaltsbefugnis, Aufenthaltsbewilligung, befristete und unbefristete Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung (§ 5 AuslG) enthält das AufenthG nur noch 2 Aufenthaltstitel: eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis und eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis (§§ 7, 9 AufenthG). Das Aufenthaltsrecht orientiert sich nicht mehr an den Aufenthaltstiteln, sondern an den Aufenthaltszwecken (Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Familiennachzug, humanitäre Gründe).
Nach BVerfG v. 6.7.2004 war der mit § 62 Abs. 2 EStG (Fassung 1996) gleichlautende § 1 Abs. 3 BKKG (Fassung 1994) insoweit gleichheitswidrig, als Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis den Kindergeldanspruch verloren. Das BVerfG beanstandete nicht das gesetzgeberische Ziel, Kindergeld nur noch denjenigen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten ist, dass sie auf Dauer in Deutschland verbleiben. Es hielt lediglich die Anknüpfung an die Erteilung einer bloßen Aufenthaltsbefugnis (statt einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis) als ungeeignetes Mittel, dieses Ziel zu erreichen, da die für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis maßgeblichen Gründe nicht typischerweise von nur vorübergehender Natur seien.
Der Vorgabe des BVerfG zur Neuregelung bis 1.1.2006 kam der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss v. 13.12.2006 für das BKKG und die parallele Regelung in § 62 Abs. 2 EStG nach. Die Neuregelung gilt grds. ab 2006.
Die Neufassung kommt den Vorgaben des BVerfG nach, indem das Gesetz an Aufenthaltstitel anknüpft, die typischerweise auf einen dauerhaften Verbleib im Inland hinweisen. Gesetzgeberisches Ziel ist es, Familienleistungen nur denjenigen Ausländern zu gewähren, die sich voraussichtlich auf Dauer im Inland aufhalten. Diese Zielsetzung hat das BVerfG nicht beanstandet. Die Anknüpfung an den Besitz eines Aufenthaltstitels nach Abs. 2 n. F. ist daher verfassungsgemäß. Die in Abs. 2 genannten Aufenthaltstitel beziehen sich auf das ab 2005 geltende AufenthG.
Mit dem G. zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften v. 2.12.2014 soll Missbrauch beim Bezug von Kindergeld durch freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger vermieden werden. Zu diesem Zweck müssen sich der Kindergeldberechtigte und dessen zum Kindergeldbezug berechtigte Kinder mit ihren Identifikationsnummern gem. § 139b AO identifizieren (§ 62 Abs. 1 S. 2–3 EStG). Die Neuregelung trat am 9.12.2014 in Kraft. Anzuwenden ist die Regelung ab Januar 2016 und gilt auch für davorliegende Zeiträume, wenn der Kindergeldantrag erst ab Januar 2016 gestellt wird.
Mit dem G. gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch v. 11.7.2019 ist mit Wirkung für Zeiträume ab August 2019 § 62 Abs. 1a EStG in Kraft getreten (§ 52 Abs. 49a S. 2 EStG). Der Gesetzgeber beabsichtigt, neu zugezogenen EU-/EWR-Staatsangehörigen Kindergeld nur dann zur Verfügung zu stellen, soweit sie wirtschaftlich aktiv sind, und regelt die Abhängigkeit des Anspruchs von einem ausreichenden Aufenthaltsrecht. Der EuGH hat allerdings im Jahr 2022 entschieden, dass die Regelung mit dem Unionsrecht unvereinbar ist.
Der EuGH sieht eine Diskriminierung darin, dass ein Bürger, der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält und seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, von Familienleistungen ausgeschlossen wird, weil er wirtschaftlich nicht aktiv sei, während derselbe Mitgliedstaat seinen eigenen Staatsangehörigen, auch wenn sie wirtschaftlich nicht aktiv seien, solche Leistungen gewähren, sobald sie aus einem anderen Mitgliedstaat zurückkehren.
Mit Wirkung für den Zeitraum v. 1.1.2020–29.2.2020 wurde § 62 Abs. 2 EStG zunächst erweitert (§ 52 Abs. 49a S. 4 EStG). Mit Wirkung. zum 1.3.2020 wurde die Vorschrift insgesamt neu gefasst (§ 52 Abs. 49a S. 2 EStG).
Seit dem Wegfall des § 72 EStG zum 1.1.2024 obliegt die Du...