Prof. Dr. Georg Schnitter
Rz. 293
Die Nutzungsdauer – und damit die AfA – beginnt, dies betrifft die Gewinn- und die Überschusseinkünfte, mit dem Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung des Wirtschaftsguts. Dies gilt sowohl für den Fall, dass das Wirtschaftsgut sogleich im Einkunftserzielungsbereich genutzt wird, als auch nach den Grundsätzen der vorweggenommenen Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten für den Fall der späteren Ingebrauchnahme zur Einkunftserzielung. Nicht maßgeblich ist, ob die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bereits bezahlt worden sind. Unerheblich ist auch die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags. Bei aufschiebend bedingten Verträgen liegen allerdings erst mit Bedingungseintritt Anschaffungskosten vor.
Rz. 294
Das abzuschreibende Wirtschaftsgut muss sich bereits als selbstständiges Wirtschaftsgut individualisiert haben. Der Stpfl. muss das Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt haben, um es zur Erzielung von Einkünften zu nutzen. Auch wenn im Bereich des Betriebsvermögens das Wirtschaftsgut auf Vorrat oder aus Vorsorge für den Betrieb angeschafft worden ist, besteht der notwendige Zusammenhang mit der Einkunftserzielung mit der Folge, dass AfA zulässig ist. Allerdings ist in diesen Fällen i. d. R. ein längerer AfA-Zeitraum zugrunde zu legen.
Rz. 295
Zeitpunkt der Anschaffung eines Wirtschaftsguts ist nach § 9a EStDV der Zeitpunkt von dessen Lieferung. Lieferung setzt die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht voraus. Das ist bei Sachen i. d. R. der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind. Ist Gegenstand eines Kaufvertrags über ein Wirtschaftsgut auch dessen Montage durch den Verkäufer, ist das Wirtschaftsgut erst mit der Beendigung der Montage geliefert. Wird die Montage durch den Stpfl. oder in dessen Auftrag durch einen Dritten durchgeführt, ist die Lieferung des Wirtschaftsguts bereits bei Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an den Stpfl. zu bejahen (R 7.4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStR 2012). Bei Anschaffung eines Wirtschaftsguts aufgrund eines Werklieferungsvertrags (§ 650 BGB) kommt es für die Entscheidung, wann die Gefahr auf den Erwerber übergeht, auf die vertraglichen Vereinbarungen an. Hat der Verkäufer als Werklieferant eine technische Anlage zu übereignen, die vom Erwerber erst nach dem erfolgreichen Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll, geht das wirtschaftliche Eigentum an der technischen Anlage erst mit der nach dem durchgeführten Probebetrieb erfolgten Abnahme über. Eine Berücksichtigung der AfA nach § 7 Abs. 1 EStG für Zeiten des Probebetriebs erfolgt bei fehlenden wirtschaftlichen Eigentum nicht. Der AfA eines Wirtschaftsguts steht es nicht entgegen, wenn dieses noch nicht genutzt werden kann, weil andere Wirtschaftsgüter, die zu seiner Nutzung erforderlich sind, noch nicht hergestellt oder geliefert worden sind. Rechte sind geliefert, wenn sie der Erwerber im geschuldeten Zustand erlangt hat. Der Übergang von Geschäfts- und Firmenwerten ist zu dem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem sie vom Erwerber vertragsgemäß genutzt werden können.
Rz. 296
Ein Wirtschaftsgut ist nach § 9a EStDV im Zeitpunkt der Fertigstellung hergestellt. Es ist fertiggestellt, wenn es bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Nutzung kommt es nicht an. Die fehlende Teilungserklärung steht der Fertigstellung nicht entgegen. Wird ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet, beginnt die AfA mit der Fertigstellung des ersten Bauabschnitts. Abzustellen ist auf die bis dahin angefallenen Herstellungskosten. Stehen die später fertig gestellten Bauabschnitte mit dem bereits fertig gestellten ersten Bauabschnitt in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang, liegen insoweit nachträgliche Herstellungskosten vor. Bestehen unterschiedliche Nutzungs- und Funktionszusammenhänge, sind die bereits angefallenen Herstellungskosten für die noch nicht fertig gestellten Bauabschnitte zunächst dem bereits fertig gestellten Bauabschnitt zuzurechnen und mit diesem abzuschreiben. Nach Auffassung der Finanzverwaltung besteht in diesen Fällen ein Wahlrecht (R 7.3 Abs. 2 EStR 2012). Der Stpfl. kann die Herstellungskosten des noch nicht fertig gestellten Gebäudeteils vorerst in die AfA-Bemessungsgrundlage des fertig gestellten Gebäudeteils einbeziehen oder hierauf verzichten und den noch nicht fertig gestellten Gebäudeteil erst mit dessen Fertigstellung abschreiben. Der Zeitpunkt der Fertigstellung ist auch maßgebend, wenn ein unfertiges Wirtschaftsgut angeschafft und vom Erwerber fertiggestellt wird. Die Anschaffungskosten für das unfertige Wirtschaftsgut rechnen zu den Herstellungskosten.
Rz. 297
Die AfA beginnt auch dann im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung, wenn sich der Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgang über mehr als ein Wirtschafts- oder Kj. erstreckt. Scheitert die Anschaffung eines Wirtschaftsguts, sind die Aufwendungen im Weg des Sofortabzugs zu berücksichtigen. Scheitert eine bereits...