Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 85
Die übernehmende Gesellschaft muss bei Buchwertfortführung die vom Einbringenden gebildeten § 7g-Rücklagen übernehmen. Nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG (bei Kapitalgesellschaften) bzw. § 24 Abs. 3 UmwStG (bei Personengesellschaften) gilt der Wert, mit dem die aufnehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis. Infolgedessen ist beim Buchwertansatz der aufnehmenden Gesellschaft für den Einbringenden die Übernahme der Wirtschaftsgüter seines bisherigen Unternehmens ein steuerneutraler Vorgang. Ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn entsteht nicht. Hierdurch haben die neu hinzutretenden Gesellschafter finanzielle Nachteile, weil die Gesellschaft Gewinn versteuern muss, den sie selbst nicht realisiert hat. Eine Buchwerteinbringung liegt allerdings nicht vor, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit einem höheren Wert als dem Buchwert ansetzt, auch wenn die Kapitalgesellschaft zu einem höheren Ansatz gezwungen war.
Beispiel (vgl. FG Köln v. 16.6.2000, 14 K 1799/99, EFG 2000, 1309):
Ein Unternehmensberater (Kläger) brachte zum 1.7.2003 sein Einzelunternehmen zu Buchwerten in eine GbR ein, an der neben ihm ein weiterer Unternehmensberater beteiligt war. In der am 3.8.2003 beim FA eingereichten Steuererklärung für 2002 erklärte der Kläger einen nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Gewinn von ca. 110.000 EUR. Das FA erteilte einen entsprechenden ESt-Bescheid. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein mit dem Antrag, den Gewinn um eine nachträglich gebildete Ansparrücklage für Existenzgründer nach § 7 Abs. 7 EStG a. F. i. H. v. 100.000 EUR zu mindern.
Das FG Köln bestätigte die Auffassung des FA, wonach der begehrte Betriebsausgabenabzug nach § 7g Abs. 6, 7 EStG a. F. nicht möglich sei, weil der Kläger die von ihm bezeichneten Investitionen für sein Einzelunternehmen nach dessen Einbringung in die GbR nicht mehr durchführen könne. Denn mit der als tauschähnlicher Vorgang zu qualifizierenden Einbringung des Einzelunternehmens in die GbR habe der Kläger seine gewerbliche Tätigkeit als Einzelunternehmer beendet. Eine ähnliche Auffassung vertreten auch andere Finanzgerichte.
Diese Auffassung ist abzulehnen (vgl. auch Vogelgesang, BB 2004, 642; Hofmann, GmbH-StB 2003, 364 mit der Empfehlung, die Rücklage vorsorglich im Sonderbetriebsvermögen zurückzubehalten; Kulosa, in Schmidt, EStG, § 7g EStG a. F. Rz. 38). Die übernehmende Gesellschaft tritt nach § 22 Abs. 1 UmwStG, der wiederum auf §§ 4 Abs. 2 S. 3 und 12 Abs. 3 S. 1 UmwStG verweist, in die Rechtsstellung des übertragenden Unternehmens ein. Dies gilt auch für die den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklagen. Die übernehmende Gesellschaft wird damit Existenzgründer i. S. d. § 7g Abs. 7 EStG a. F. Somit ist steuerlich, obwohl ein tauschähnlicher Vorgang vorliegt, von einer Rechtsnachfolge auszugehen mit der Konsequenz, dass Rücklagen fortgeführt werden können und – bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen gem. § 7g Abs. 7 EStG a. F. (Existenzgründereigenschaft) – auch Rücklagen gem. § 7g Abs. 7 EStG a. F. gebildet werden können. Sofern an der neu gegründeten Gesellschaft nunmehr auch Nichtexistenzgründer beteiligt sind, können indes keine neuen Rücklagen gem. § 7g Abs. 7 EStG a. F. gebildet werden. Allerdings beginnt bei Ansatz der Buchwerte kein neuer Gründungszeitraum, weil die Betriebseröffnung des Einbringenden der Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin zuzurechnen ist.
Rz. 86
Die anlässlich einer Betriebseinbringung neu gegründete Gesellschaft darf nach der Einbringung zu Buchwerten auch eigene, neue Rücklagen nach § 7g Abs. 7 EStG a. F. bis zur Ausschöpfung des gesetzlichen Höchstbetrags von 307.000 EUR bilden, soweit an ihr ausschließlich Existenzgründer beteiligt sind. Die Neubildung ist bis zum Ende des beim Einbringenden begonnenen sechsjährigen Gründungszeitraums zulässig. Wird ein Betrieb gem. § 20 UmwStG bzw. § 24 UmwStG zum Buchwert in eine schon vorher bestehende Gesellschaft eingebracht oder sind ihre Gesellschafter nicht sämtlich Existenzgründer, entfällt die Möglichkeit der Rücklagenbildung gem. § 7g Abs. 7 EStG a. F. durch die übernehmende Gesellschaft. Die Möglichkeit der Buchwertfortführung einer zuvor durch den eingebrachten Betrieb gebildeten Rücklage führt nicht dazu, dass eine Gesellschaft, an der nicht ausschließlich Existenzgründer zu mehr als 10 % beteiligt sind, zur Existenzgründerin wird. Trotz der Fortführungsmöglichkeit muss die übernehmende Kapitalgesellschaft die fortgeführte Rücklage bis spätestens mit Ablauf des fünften auf das Jahr der Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahrs gewinnerhöhend auflösen. Die Einbringung des Betriebs in die Kapitalgesellschaft ist indes kein unter die spezialgesetzliche Regelung des § 7g Abs. 7 i. V. m. Abs. 4 EStG a. F. fallendes Ereignis.