Rz. 194
Unter einer vorweggenommenen Erbfolge wird üblicherweise die jedenfalls teilweise unentgeltliche Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen Teils davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als Erben in Aussicht genommene Empfänger verstanden. Sie richtet sich im Grundsatz nicht nach Erbrecht, sondern nach den Regelungen bezüglich Rechtsgeschäften unter Lebenden mit ihren zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten. Das Erbrecht ist gleichwohl auch im Bereich der vorweggenommenen Erbfolge nicht ohne Relevanz. So kann die Verwendung des Begriffs "vorweggenommene Erbfolge" im Schenkungs- bzw. Übertragungsvertrag ggf. die Auslegung rechtfertigen, dass der Übertragende gleichzeitig eine Anordnung hinsichtlich der Anrechnung des Übertragungsgegenstandes auf den gesetzlichen Erbteil bzw. Pflichtteil des Übertragungsempfängers und damit zugleich auch eine Ausgleichsregelung zugunsten anderer gesetzlicher Erben treffen wollte.
Rz. 195
Gerade im Bereich der Unternehmensnachfolge bietet die lebzeitige Übertragung gegenüber einer Übertragung von Todes wegen zahlreiche Vorteile. So lässt sich z. B. der Zeitpunkt der Übertragung konkret planen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer gleitenden Übertragung der unternehmerischen Verantwortung und einer Korrektur durch den Übertragenden bei Fehlentwicklungen.
Rz. 196
Durch die vorweggenommene Erbfolge können mögliche Nachfolger bereits frühzeitig an die unternehmerische Tätigkeit herangeführt werden. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt dies durch sukzessive Übertragung von Unternehmensanteilen, wobei sich der "Senior" häufig bei einer ersten lebzeitigen Übertragung von Anteilen wenigstens die einfache Mehrheit vorbehält, um sodann zu einem späteren Zeitpunkt weitere Anteile auf den Nachfolger zu übertragen. So lässt es sich sicherstellen, dass der Nachfolger zugunsten einer kontinuierlichen Unternehmensfortführung in das Unternehmen mit zunehmender Verantwortung eingebunden und in die damit verbundenen Aufgaben eingeführt wird. Die vorweggenommene Erbfolge ist im Bereich der Unternehmensnachfolge daher regelmäßig als langfristiger Prozess anzusehen.
Rz. 197
Als wirtschaftliche und persönliche Gründe für eine Umsetzung der Unternehmensnachfolge zu Lebzeiten kommen insbes. in Betracht:
- Langfristiger Schutz des Unternehmens vor Zersplitterung,
- Sicherstellung einer kontinuierlichen Unternehmensfortführung,
- Entlastung der Senior-Generation durch Übertragung der Unternehmensführung,
- Finanzielle Versorgung bzw. Absicherung des Seniors im Alter,
- Steueroptimierung (ErbSt und ESt).