Rz. 64
Hälftige Teilung des Einigungsbereichs
§ 1 Abs. 3a Satz 6 AStG enthält – wie bereits zuvor § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG a. F. – eine gesetzliche Regelung zur Aufteilung eines Einigungsbereichs. Hiernach „ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen, wenn der Steuerpflichtige nicht glaubhaft macht, dass ein anderer Wert innerhalb des Einigungsbereichs dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht“. Wenn also nichts anderes glaubhaft gemacht wird, ist zunächst auf den Mittelwert abzustellen. Eine solche hälftige Teilung des Einigungsbereichs ist zunächst nicht abwegig, zumal sie betriebswirtschaftlich der sog. Arbitriumwertlösung entspricht. Auch die – mittlerweile überholten- sog. Zinsurteile des BFH machen einen entsprechenden Lösungsvorschlag. In gleicher Weise geht die Rechtsprechung zur Aufteilung von Standortvorteilen bei einem Lohnfertiger davon aus, dass Auftraggeber und Lohnfertiger den sich durch die Standortvorteile ergebenden Einigungsbereich hälftig teilen.
Rz. 65
Widerlegbare Vermutung
Allerdings handelt es sich bei der hälftigen Teilung des Einigungsbereichs um eine widerlegbare Vermutung. Der Steuerpflichtige muss hierzu glaubhaft machen, dass ein anderer Wert als der Mittelwert dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Hierbei erfordert die Glaubhaftmachung ein herabgesetztes Beweismaß. Der Steuerpflichtige muss darlegen, dass für die behauptete Tatsache – der behauptete Wert entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz – "eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist"; d. h., das Bestehen der behaupteten Tatsache "wahrscheinlicher ist als ihr Nichtbestehen". Der Gesetzgeber führt für die Glaubhaftmachung eines bestimmten Werts innerhalb des Einigungsbereichs die für Zwecke des § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG, d. h. die i. R. der Vergleichbarkeitsanalyse u. a. heranzuziehenden Vergleichbarkeitsfaktoren, relevanten rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte an. Zu den rechtlichen Gesichtspunkten sollen u. a. die vertraglichen Bedingungen eines Geschäftsvorfalls, soweit diese mit dem tatsächlichen Verhalten einander nahestehender Vertragspartner übereinstimmen, sowie insbesondere nicht abdingbare, zivilrechtliche Gegebenheiten gehören. Zu den in wirtschaftlicher Hinsicht relevanten Aspekten sollen neben den ausgeübten Funktionen, kontrollierten Risiken und eingesetzten Vermögenswerten insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten und die Verhältnisse des für den Geschäftsvorfall relevanten Marktes, einschließlich Standortvorteilen sowie aller rechtlichen Rahmenbedingungen und Begleitumstände, die von den Beteiligten verfolgten Geschäftsstrategien sowie die Eigenschaften übertragener oder überlassener Vermögenswerte oder erbrachter Dienstleistungen gehören.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung in den VWG-Funktionsverlagerung bleibt für die Glaubhaftmachung eines anderen Werts als des Mittelwerts die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Transaktionspartner unberücksichtigt. Demgegenüber können als Kriterien für einen dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der größten Wahrscheinlichkeit entsprechenden Wert die jeweiligen Marktpositionen, das jeweilige mit der Transaktion verbundene Interesse, die Kapitalausstattung und Ertragslage der Kontrahenten, die Entstehung von Synergieeffekten und Standortvorteilen herangezogen werden. Ferner sind – unter Verweis auf die seinerzeitige und unveränderte Auffassung der OECD – die Handlungsalternativen der Parteien zu beachten. Wichtig wird hier sein, dass die unternehmensseitig angelegten Kriterien bereits bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten (Rz. 87 ff.) hinreichend dargelegt werden.
Auch besteht – entgegen der von Vertretern der Finanzverwaltung bisweilen vertretenen Gegenauffassung – für einen abweichenden Wertansatz ein steuerliches Wahlrecht zwischen dem Mittelwert und einem günstigeren anderen Wertansatz.
Rz. 66
Gesetzliche Änderung durch die Neufassung i. R. des AbzStEntModG
Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3a Satz 6 AStG entspricht diese Regelung „inhaltlich dem bisher geltenden § 1 Abs. 3 Satz 7“. Dies verwundert insofern, als der Gesetzgeber tatsächlich den Gesetzeswortlaut geändert hat, und lässt es fraglich erscheinen, ob nicht tatsächlich § 1 Abs. 3a Satz 6 AStG gegenüber der Vorfassung eine inhaltlich geänderte Regelung aufweist. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG a. F. lautete wie folgt: „Es ist der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen.“ Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber mit den neu gefassten Regelungen in § 1 Abs. 3, Abs. 3a und Abs. 3b AStG durch das AbzStEntModG durchgehend stärker den Charakter von § 1 AStG als Einkünftekorrekturvorschrift und nicht als Einkünfte- bzw. Gewinnermittlungsvorschrift zum Ausdruck bringt, unterscheiden sich § 1 Abs. 3a Satz 6 AStG