Leitsatz
Ein Wahlvermächtnis, bei dem das Wahlrecht dem Bedachten zusteht, richtet sich bereits vom Erbfall an ausschließlich auf den Gegenstand, für den sich der Bedachte entscheidet. Allein dieser Gegenstand ist nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Erbfalls gem. § 12 ErbStG zu bewerten. Betrifft die Wahl ein Kaufrechtsvermächtnis, gelten die Grundsätze des BFH-Urteils vom 6.6.2001, II R 76/99 (BStBl II 2001, 605).
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG , § 263 Abs. 2 BGB , § 2154 BGB
Sachverhalt
Dem Erblasser gehörte ein Grundstück mit einem erhöhten Einheitswert von 33 460 DM und einem Verkehrswert von 368 500 DM. Er hatte zugunsten des Bedachten folgendes Vermächtnis angeordnet:
Der Bedachte „hat die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten:
a) entweder er erhält 25 000 DM oder
b) er erwirbt das Grundstück ... gegen Zahlung von 150 000 DM”.
Der Bedachte entschied sich für die Alternative b). Daraufhin zog ihn das FA zu einer Erbschaftsteuer heran, die nach dem Verkehrswert des Gundstücks abzüglich der gezahlten 150 000 DM – also nach einem Erwerb in Höhe von 218 500 DM – bemessen war. Dagegen wandte sich der (Rechtsnachfolger des) Bedachte(n) mit dem Begehren, den Erwerb mit dem anteiligen erhöhten Einheitswert – nämlich mit 19 840 DM – anzusetzen. Einspruch, Klage und Revision hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der Bewertung eines Vermächtnisses hat die Bestimmung des Vermächtnisgegenstands vorauszugehen. Bei einem Wahlvermächtnis bestimmt sich der Gegenstand des Vermächtnisses danach, für welche der wählbaren Alternativen sich der Bedachte entschieden hat. Dies folgt aus § 263 Abs. 2 BGB, wonach bei einem Wahlrecht die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete gilt.
Da sich der Bedachte für die Alternative b) entschieden hat, beurteilt sich der Streitfall im Übrigen nach den Grundsätzen, die der BFH zum Kaufrechtsvermächtnis entwickelt hat (BFH-PR 2001, 350). Danach ist Gegenstand des Kaufrechtsvermächtnisses das Übernahmerecht als solches, das nicht mit dem Steuerwert des Gegenstands, auf den es sich bezieht, zu bewerten ist, sondern als eigener Vermögensgegenstand mangels anderer Bewertungsmaßstäbe mit dem Verkehrswert des Grundstücks.
Hinweis
Das Wahlvermächtnis wirft keine erbschaftsteuerrechtlichen Probleme auf, die über diejenigen hinausgehen, die mit den einzelnen wählbaren Alternativen verbunden sind. Mit der Ausübung der Wahl durch den Bedachten gilt die Rechtslage, die bestünde, wenn von Anfang an nur die gewählte Alternative vermacht worden wäre. Bei der Ausübung der Wahl sind die u.U. unterschiedlichen steuerlichen Folgen der einzelnen Wahlmöglichkeiten zu bedenken, wobei sich der Bedachte Rechenschaft darüber ablegen muss, ob er nur seine eigenen Interessen verfolgen oder aber auf die Gesamtbelastung von Bedachtem und Beschwertem abstellen will.
Die Entscheidung beeinflusst nicht nur seine eigene Erbschaftsteuerbelastung, sondern – etwa bei der Wahl zwischen einem reinen Sachvermächtnis und einem Kaufrechtsvermächtnis – über die möglicherweise unterschiedliche Bewertung der Leistungsverpflichtung des Erben auch die Belastung des beschwerten Erben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.6.2001, II R 14/00