OFD Magdeburg, Verfügung v. 15.2.2012, S 7227 - 13 - St 243
1. Warenbeschreibung
Gehhilfen/Rollatoren bestehen im Allgemeinen aus einem röhrenförmigen Metallrahmen auf drei oder vier Rädern (von denen einige oder alle drehbar sind), Griffen und Handbremsen. Sie können in der Höhe verstellbar und mit einem Sitz zwischen den Griffen sowie einem Korb zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände ausgestattet sein. Der Sitz gestattet dem Benutzer, kurze Rasten einzulegen.
Das Erzeugnis ist seiner Beschaffenheit nach als Hilfe für Personen mit Gehschwierigkeiten bestimmt. Es gestattet einer Person, sich vorwärts zu bewegen, indem sie den Gehhilfe-Rollator vor sich herschiebt, der die notwendige Stütze bietet.
2. Einreihung in den Zolltarif
Mit Urteil vom 22.12.2010, Rs. C-273/09 Premis Medical, hat der EuGH entschieden, dass die Verordnung (EG) Nr. 729/2004 der Kommission vom 15.4.2004 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur in der Fassung der am 7.5.2004 veröffentlichten Berichtigung ungültig ist, soweit zum einen durch die Berichtigung der Anwendungsbereich der ursprünglichen Verordnung auf Gehhilfe-Rollatoren erstreckt worden ist, die aus einem Aluminiumrohrrahmen auf vier Rädern, mit vorderen Drehlagerrädern, Griffen und Bremsen bestehen und ihrer Beschaffenheit nach als Hilfe für Personen mit Gehschwierigkeiten bestimmt sind, und zum anderen die Verordnung in der berichtigten Fassung diese Gehhilfe-Rollatoren in die Unterposition 8716 80 00 der Kombinierten Nomenklatur einreiht. Nach Rz. 56 des Urteils sind Gehhilfe-Rollatoren in die Position 9021 (ermäßigter Steuersatz) einzureihen.
Die EuGH-Entscheidung ist in allen offenen Fällen anzuwenden (BMF-Schreiben vom 11.8.2011, BStBl 2011 I S. 824). Bisher anders lautende Verwaltungsauffassungen – insbesondere Tzn. 160 Nr. 10 und 162 Nr. 2 Buchst. s des BMF-Schreibens vom 5.8.2004, BStBl 2004 I S. 638 – sind nicht mehr anzuwenden.
Für vor dem 1.10.2011 ausgeführte Umsätze mit Gehhilfe-Rollatoren wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn sich der leistende Unternehmer auf die entgegenstehenden Regelungen des BMF-Schreibens vom 5.8.2004, BStBl 2004 I S. 638, beruft und den Umsatz dem allgemeinen Steuersatz unterwirft.
3. Überlassung von Rollatoren gegen Zahlung einer Fallpauschale
Vereinbaren Unternehmer mit Krankenkassen, deren Versicherten im Bedarfsfall einen Rollator zu überlassen, erhalten sie eine vertraglich festgelegte Fallpauschale. Die Fallpauschale deckt neben der Gebrauchsüberlassung eine im Bedarfsfall notwendige Reparatur oder Ersatzgestellung innerhalb des Mietzeitraums und die Rückholung bei Entfall der medizinischen Notwendigkeit oder am Ende des Überlassungszeitraums ab.
Da mit der Reparatur bzw. der Ersatzgestellung des Rollators der Vermieter seine Pflichten, die sich kraft Gesetzes aus dem abgeschlossenen Mietvertrag ergeben, erfüllt, handelt es sich um Nebenleistungen, die in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht das Schicksal der Hauptleistung ‚Gebrauchsüberlassung’ teilen.
Demzufolge unterliegen sowohl die Vermietung des Rollators als auch die gegen die Zahlung der Fallpauschale auf Grundlage von § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB erbrachten weiteren Leistungen (insbesondere Reparatur bzw. Ersatzgestellung) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %.
4. Rückerstattung des ursprünglich zu viel ausgewiesenen Steuerbetrages an den Rechnungsempfänger
Die AOK Sachen-Anhalt hat aufgrund des EuGH-Urteils vom 22.12.2010, Rs. C-273/09 Premis Medical (siehe dazu auch BMF-Schreiben vom 11.8.2011, BStBl 2011 I S. 824), ihre Vertragspartner, von denen sie in der Vergangenheit Gehilfe-Rollatoren erworben hat, aufgefordert, eine Rückerstattung des Differenzbetrages zwischen dem in Rechnung gestellten Regelsteuersatz und dem ermäßigten Umsatzsteuersatz vorzunehmen. Mit dem Schreiben haben betroffene Unternehmer eine Aufstellung über ihre in den Kalenderjahren 2007 bis 2011 durchgeführten Rollatorenlieferungen erhalten, in der u.a. der Rückforderungsbetrag pro Kunde aufgeführt ist.
Eine wirksame Rechnungskorrektur setzt voraus, dass der leistende Unternehmer diese durch Übersendung eines schriftlichen Dokumentes an den Leistungsempfänger (= Rechnungsempfänger) dokumentiert. Die Finanzverwaltung akzeptiert, wenn der leistende Unternehmer der AOK Rechnungskorrekturlisten übersendet und in dem zugehörigen Übersendungsschreiben deutlich macht, dass hiermit die in der Anlage aufgeführten Rechnungen, in denen für die Lieferungen von Rollatoren der Regelsteuersatz in Rechnung gestellt worden ist, korrigiert werden.
Um einen eindeutigen Bezug zu der jeweiligen Rechnung und – da mit den jeweiligen Rechnungen unterschiedliche Leistungen abgerechnet wurden – auch zu der jeweiligen Rechnungsposition herzustellen, sollten die Rechnungskorrekturlisten folgende Angaben enthalten:
KVNR |
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Name, Vorname |
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Leistungsdatum |
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Rechnungsnummer |
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Entgelt |
z.B. 90,00 EUR |
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USt (7 %) |
6,30 EUR |
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Gesamt (Einzelpreis neu) |
96,30 EUR |
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Ein... |