Leitsatz
Förderung der Demokratie kann durch Zurverfügungstellung einer Petitionsplattform erfolgen.
Sachverhalt
Umstritten war die Gemeinnützigkeit eines Vereins. Dieser verfolgte nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung. Zweck des Vereins war hierbei die Förderung des demokratischen Staatswesens. Diesen Zweck verwirklichte der Verein durch die Entwicklung und Nutzung von Möglichkeiten der Nutzung des Internets als Medium der Diskussion und insbesondere der Durchführung von Online-Petitionen. Nach seiner Satzung war der Verein parteipolitisch neutral. Die durch den Verein beim Finanzamt begehrte Steuerbefreiung wurde abgelehnt, da die tatsächliche Geschäftsführung nicht auf die Zweckerreichung gerichtet sei. Insbesondere diene eine Petitionsplattform nur dann der Förderung des demokratischen Gemeinwesens, wenn es sich um Petitionen im Sinne des Art. 17 GG handele. Der Verein vertrat die Auffassung, der Begriff der Petition sei weiterzuziehen und nicht auf die Petitionen im Sinne des Art. 17 GG beschränkt.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Der Verein sei gemeinnützig tätig, denn er fördere das demokratische Staatswesen, entschied das FG Berlin-Brandenburg. Eine Körperschaft verfolge gemeinnützige Zwecke, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit selbstlos zu fördern. Die Förderung der Allgemeinheit könne unstrittig durch die Förderung des demokratischen Staatswesens erfolgen. Diesen gemeinnützigen Zweck habe der klagende Verein auch verfolgt. Die gemeinnützige allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens sei gegeben, wenn sich die Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipen befasst und diese objektiv und neutral würdige. Dies könne auch durch die Durchführung von Online-Petitionen erfolgen, deren Sinn darin zu sehen sei, die politische Willensbildung und politische Bildung zu fördern. Entgegen der Auffassung des Finanzamts seien nicht nur die Durchführung von Petitionen im Sinne des Art. 17 GG geeignet, die politische Willensbildung und damit das demokratische Staatswesen zu fördern. Insofern sei der Verein als gemeinnützig anzuerkennen.
Hinweis
Fragen des Gemeinnützigkeitsrechts sind in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von Entscheidungen der Finanzgerichte, aber auch des BFH gewesen. Erinnert werden soll nur an den jahrelangen Rechtsstreit um die Gemeinnützigkeit des wirtschaftskritischen Vereins Attac. Im Sachverhalt ging es allerdings zentral um eine Frage, die sich im Wesentlichen durch eine Ausweitung des politischen Willensbildungsprozesses auf die sogenannten sozialen Medien und allgemein das Internet bezieht. Konkret führte der klagende Verein - unter anderem - Online-Petitionen durch, die einen Willensbildungsprozess zu bestimmten politischen Fragen fördern und sicherlich auch politische Entscheidungsträger beeinflussen sollen. Strittig war dabei vor allem, ob die Durchführung solcher Online-Petitionen das demokratische Staatswesen fördern können oder ob dies nur der Fall sein könne, wenn es sich um Petitionen im Sinne des Art. 17 GG handelt. Solche Petitionen sind formal reglementiert und bedürfen einer Einschaltung des Petitionsausschusses des Bundestags. Petitionen können in der Zwischenzeit auch elektronisch eingereicht werden. Auf der Ebene der Bundesländer gibt es entsprechende Regelungen. Das FG Berlin-Brandenburg vertrat die Auffassung, der Begriff der Petition sei weiterzuziehen und nicht auf Petitionen im Sinne des Art. 17 GG zu beschränken. Hierfür spricht in der Tat, dass sich eine Gesellschaft natürlich fortentwickelt und an Online-Petitionen bei Schaffung des Art. 17 GG nicht zu denken war. Online-Petitionen sind aber heute sicherlich ein nicht unwesentlicher Aspekt der politischen Willensbildung. Insofern liegt es nahe, dass diese auch das demokratische Staatswesen fördern.
Abzuwarten bleibt, ob der BFH die Ansicht des FG Berlin-Brandenburg teilt. Dieses hat nämlich wegen der grundsätzlichen Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.11.2023, 8 K 8198/22