Leitsatz

1. Eine Stiftung fördert auch dann die Allgemeinheit i.S.d. § 52 Abs. 1 AO, wenn sie ihre Zwecke ausnahmslos oder überwiegend im Ausland erfüllt (gegen BMF-Schreiben vom 20.9.2005, BStBl I 2005, 902) und ihre Förderung vorzugsweise auf die Jugend eines Staats (hier: der Schweiz) oder einer Stadt (hier: Bern) beschränkt ist.

2. Die formelle Satzungsmäßigkeit nach § 59 AO erfordert hinsichtlich der steuerbegünstigten Zweckverfolgung nicht die ausdrückliche Verwendung der Begriffe "ausschließlich" und "unmittelbar" (ebenfalls gegen BMF-Schreiben vom 20.9.2005, BStBl I 2005, 902).

3. Die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 AO) ist bei einer staatlich beaufsichtigten Stiftung – jedenfalls im Grundsatz und innerhalb der EU – auch dann nach § 62 AO i.d.F. vor Änderung durch das JStG 2007 entbehrlich, wenn es sich um eine Stiftung ausländischen Rechts handelt, die der Stiftungsaufsicht eines EU-Mitgliedstaats unterfällt. Allerdings muss die ausländische Stiftungsaufsicht dem (Mindest-)Standard der Stiftungsaufsicht der deutschen Bundesländer entsprechen.

4. § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG 1996, wonach u.a. die Befreiung gemeinnütziger Körperschaften von der KSt nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG 1996 für beschränkt Steuerpflichtige i.S.v. § 2 Nr. 1 KStG 1996 nicht gilt, ist gemeinschaftsrechtswidrig (Anschluss an EuGH-Urteil vom 14.9.2006, Rs. C-386/04"Centro di Musicologia Walter Stauffer", BFH-PR 2006, 438).

 

Normenkette

§ 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 Nr. 3 KStG 1996, § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, § 52, § 55 Abs. 1 Nr. 4, § 59, § 60, § 61 Abs. 1, § 63 AO, Art. 73b EGV = Art. 56 EG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist eine Stiftung italienischen Rechts mit Sitz in Italien, die Ausbildungs- und Erziehungszwecke verfolgt und insbesondere die klassische Herstellung von Saiteninstrumenten, der Streichinstrumente, der Musikgeschichte und der Musikwissenschaft im Allgemeinen sowie das Wiederaufleben der Kunst in der Herstellung der Geigen und Streichinstrumente unterstützt. Er vergibt außerdem Studienbeihilfen, die jungen Schweizern, vorzugsweise aus Bern, den Aufenthalt in Italien für die ganze Periode des Unterrichts und der Prüfungen ermöglichen, die die Kunst in der Herstellung von Saiteninstrumenten lernen und sich darin fortbilden wollen.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Geschäftsgrundstücks in Deutschland und erzielt daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die das FA der KSt unterwarf.

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (EFG 2003, 481).

 

Entscheidung

Nachdem der EuGH in seinem Urteil vom 14.9.2006, Rs. C-386/04 "Centro di Musicologia Walter Stauffer" die prinzipielle Europarechtswidrigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG konstatiert hatte, blieb dem BFH in diesem Punkt kaum Spielraum. Zugleich hat er seine schon in dem Vorabentscheidungsersuchen eingenommenen Positionen zum Gemeinnützigkeitsrecht wie in den Praxis-Hinweisen dargestellt bekräftigt bzw. – bei dem Dispens von den formalen Satzungserfordernissen hinsichtlich der Stiftungsaufsicht – geringfügig abgemildert. Zur weiteren Sachaufklärung der "Intensität" der italienischen Stiftungsaufsicht sowie der tatsächlichen Geschäftsführung des Klägers wurde die Sache an das FG zurückverwiesen

 

Hinweis

Es handelt sich um die End-Entscheidung des BFH über die mittlerweile sattsam bekannte und viel diskutierte Rechtssache "Centro die Musicologica Walter Stauffer". Das vorangegangene Vorabentscheidungsersuchen des BFH an den EuGH vom 14.7.2004, I R 94/02 (BFH-PR 2004, 493) sowie das Urteil des EuGH vom 14.9.2006, Rs. C-386/04"Centro di Musicologia Walter Stauffer" (BFH-PR 2006, 438) wurden in dieser Zeitschrift gründlich besprochen; darauf ist zu verweisen.

1. Zwar ist es, wie jetzt feststeht, prinzipiell EG-rechtswidrig, der beschränkt steuerpflichtigen ausländischen gemeinnützigen Stiftung die Steuerfreiheit des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG zu versagen; § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG bleibt insoweit unanwendbar.

Allerdings standen noch zwei, drei weitere Punkte in Streit, die der BFH nun "aus eigener Kraft" aus dem Gesetz beantwortet hat:

  • Das betrifft zunächst den Umstand, dass eine zu fördernde "Allgemeinheit" nicht nur eine deutsche sein kann und muss. Vielmehr – so der BFH – "schadet es nicht, wenn die Stiftungszwecke ausnahmslos oder jedenfalls ganz überwiegend im Ausland erfüllt werden". Das deutsche Steuerrecht anerkennt die Verfolgung gemeinnütziger Ziele unabhängig davon, ob dies im Inland oder im Ausland geschieht. Eine Förderung der Allgemeinheit i.S.d. § 52 AO setzt nicht voraus, dass die Fördermaßnahmen den Bewohnern oder Staatsangehörigen Deutschlands zugute kommen.
  • Es schadet auch nicht, wenn diese "Allgemeinheit" sich auf die Bewohner eines Lands oder einer Stadt und davon wiederum auf bestimmte Bevölkerungskreise (im Beschlussfall die Jugend) beschränkt. Erforderlich ist lediglich, dass der betreffende Personenkreis nicht von vornherein auf eine kleine und abgeschlossene Gruppe reduziert wird.
  • In § 61 AO sind die abgabenrechtlichen Anforderungen an die satzungsmäßige ...

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