1.–3.
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4. Durch § 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG auftretende Inkonsistenz der Bewertung
a) Grundsätzlicher Regelungszweck
Gemäß § 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG gelten dessen Sätze 1 und 2 außer für Kapitalgesellschaften auch für Genossenschaften, so dass als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Genossenschaft gilt, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Somit fingiert § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG eine Schenkung zwischen dem an eine Kapitalgesellschaft Leistenden und der natürlichen Person oder Stiftung, die an der Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, und deren Anteile an der Gesellschaft durch die Leistung im gemeinen Wert steigen, R E 7.5 Abs. 10 Satz 1 ErbStR 2019. Die zu § 7 Abs. 8 ErbStG ergangenen gleich lautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.4.2018 – S 3806, BStBl. I 2018, 632, wurden nunmehr in R 7.5 ErbStR 2019 übernommen und noch teilweise ergänzt, so dass grundsätzlich die Zitierung der ErbStR 2019 analog für Genossenschaften erfolgen kann.
Der Gesetzeszweck ist richtig und nachvollziehbar, da ansonsten die Steuerbarkeit direkter Schenkungen durch derartige indirekte Wertzuweisungen umgangen werden könnte. Gemäß R E 7.5 Abs. 15 Satz 2 ErbStR 2019 sind steuerbare Vermögensverschiebungen auch zwischen Genossenschaftsmitgliedern durch Einlagen möglich. Entsprechendes gilt nach R E 7.5 Abs. 15 Satz 5 ErbStR 2019 für Leistungen einer Kapitalgesellschaft an die Mitglieder einer Genossenschaft, die alle Anteile an der Kapitalgesellschaft hält. Die Förderung der Genossenschaftsmitglieder (z.B. durch genossenschaftliche Rückvergütungen) entspr. dem allgemeinen Förderzweck der Genossenschaft (§ 1 GenG) unter Beachtung des genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgebots ist jedoch nicht schenkungsteuerbar, R E 7.5 Abs. 15 Satz 4 ErbStR 2019.
Steuerbare Leistungen i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG sind insb. Sacheinlagen und Nutzungseinlagen, wobei eine Leistung von Gesellschaftern (oder Dritten) an die Genossenschaft nicht zu einer steuerbaren Werterhöhung führt, soweit dieser Leistung eigene Leistungen der (Mit-)Gesellschafter gegenüberstehen, R E 7.5 Abs. 11 Satz 1, 2 ErbStR 2019. Dies ist folgerichtig und zwingend, da in diesen Fällen in der Gesamtbetrachtung der Gesellschafter kein Vermögenstransfer zwischen ebendiesen stattfindet und auch nicht gewollt ist.
Die Bereicherung einer steuerbaren Leistung richtet sich nach der Erhöhung des gemeinen Werts der Anteile an der Genossenschaft, nicht nach dem Wert der Leistung des Zuwendenden, maßgeblich sind die allgemeinen Regelungen für die Bewertung nicht notierter Anteile (§ 11 Abs. 2 BewG, ggf. i.V.m. §§ 199 ff. BewG), wobei die Werterhöhung auch durch eine Verbesserung der Ertragsaussichten bewirkt werden kann, die durch die Leistung des Zuwendenden verursacht ist, R E 7.5 Abs. 12 Satz 1 bis 4 ErbStR 2019. Da Gegenstand der Steuerbegünstigungen nach §§ 13a, 13c, 28a ErbStG der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften, nicht aber die Werterhöhung solcher Anteile ist, die sie aufgrund von Leistungen an die Kapitalgesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 8 ErbStG erfahren, sind diese Steuerbegünstigungen in den Fällen des § 7 Abs. 8 ErbStG auch für Genossenschaften nicht zu gewähren, R E 7.5 Abs. 13 ErbStR 2019.
b) Widersprüchliche Bewertung bei Genossenschaften
Bei genauerer Betrachtung sowohl von § 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG als auch der Ausführungen in R E 7.5 ErbStR 2019 tritt ein unlösbarer Widerspruch zu Tage:
- Werden Genossenschaftsanteile direkt übertragen, erfolgt die Nennwertbewertung (bspw. mit 2.500 EUR für 25 % der Anteile) als Kapitalforderung unabhängig vom tatsächlichen gemeinen Wert des Vermögens der Genossenschaft.
- Führt der Genosse jedoch bspw. als 25 %-Beteiligter bei weiterer 25 %-Beteiligung seiner Tochter der Genossenschaft eine verdeckte Sacheinlage im Wert von 500.000 EUR zu, erhöht sich (vereinfacht dargestellt) ihr Anteil um 125.000 EUR (500.000 EUR x ihr Anteil 25 %), weil insoweit nicht der Nennwert maßgebend ist. Diese Erhöhung unterliegt sodann der Besteuerung, ebenso die Werterhöhung von 250.000 EUR (500.000 EUR x 50 %) der anderen Genossen.
Das Ergebnis kann weder überzeugen noch scheint es verfassungsgemäß tragbar. Ziel des § 7 Abs. 8 ErbStG ist es, eine mögliche Besteuerungslücke zu schließen, wenn nicht Anteile übertragen werden, sondern die Werte der Anteile anderer Gesellschafter durch Einlagen erhöht werden. Dies ist bei Kapitalgesellschaften in sich stimmig und verfassungsrechtlich unbedenklich, da insoweit sowohl die Werterhöhung als auch die direkte Schenkung mit dem gemeinen Wert anzusetzen wären. R E 7.5 Abs. 11 Satz 2 ErbStR 2019 ermöglicht es durch den Verweis auf §§ 199 ff. BewG sogar, die einlagebedingte Wertsteigerung durch Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens vor und nach der Einlage zu ermitteln, wenn die Ertragsaussichten der Gesellschaft durch eine Einlage erhöht wurden.
Diese Grundsätze explizit in Gesetz und ErbStR auf Genossenschaften übertragen zu wollen, erscheint nur basier...