Gelegentlich verwendete oder empfohlene Rechenformeln für die Bemessung der Gesamtstrafe sind abzulehnen und werden von der Rspr. des BGH nicht gebilligt. Dies gilt für die Addierung der Einzelstrafen mit anschließender Reduzierung der Strafe (vgl. BGH v. 12.4.1994 – 4 StR 74/94, StV 1994, 424) ebenso wie für eine Mittelwertbildung zwischen Einsatzstrafe und Summe der Einzelstrafen (BGH v. 21.10.2009 – 2 StR 377/09, NStZ-RR 2010, 40) sowie für eine Berechnung, bei welcher die Einsatzstrafe um die Hälfte der Summe der Einzelstrafen erhöht wird (vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rz. 1218 m.w.N.). Eine irgendwie geartete Mathematisierung der Strafzumessung wird ohnehin vom BGH generell abgelehnt (s.o. II.2!).
Ebenfalls abzulehnen ist die Ansicht, dass die Erhöhung der Einsatzstrafe um mehr als das Dreifache unzulässig sein soll (so aber OLG Düsseldorf v. 6.3.2007 – 5 Ss 226/06-85/06 I, wistra 2007, 235). Der BGH hat auch dies als zu schematisch angesehen und die Erhöhung einer Einsatzstrafe von zwei Jahren auf sechs Jahre und neun Monate bei entsprechender Begründung und bei Vorliegen von 100 Taten gebilligt (BGH v. 25.8.2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32). Dasselbe gilt bei einer Vielzahl von Taten (73 Fälle), wenn die Einsatzstrafe von elf Monaten auf eine Gesamtstrafe von sieben Jahren erhöht wird (BGH v. 10.7.2012 – 1 StR 292/12, BeckRS 2012, 15990).
Beraterhinweis Wichtig ist also, dass – wie immer im Bereich der Strafzumessung – die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und abgewogen werden, so dass für das Revisionsgericht nicht der Eindruck entsteht, das Tatgericht habe sich in zu starkem Maße von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen. Denn der Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu.
Wenn – wie im Steuerstrafrecht häufig – ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang der Einzeltaten besteht, spricht dies für einen engen Zusammenzug der Einzelstrafen, d.h. die Einsatzstrafe sollte nur maßvoll erhöht werden (BGH v. 8.4.1997 – 5 StR 98/97, wistra 1997, 228; v. 7.11.2001 – 5 StR 269/01, wistra 2002, 98; v. 17.12.2013 – 4 StR 261/13, BeckRS 2014, 1560). Dagegen sprechen zeitlich weit auseinander liegende Straftaten eher für eine tendenziell höhere Gesamtstrafe (Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rz. 1208. Dasselbe gilt bei Verletzung verschiedener Rechtsgüter (z.B. Steuerhinterziehung einerseits und gefährliche Körperverletzung andererseits).
Bei Taten, die gleichförmig in Serie begangen werden (z.B. einer Vielzahl der Hinterziehung von Anmeldungssteuern durch Abgabe unzutreffender LSt-Anmeldungen oder USt-Voranmeldungen; Steuerhehlerei durch den An- und Verkauf von unversteuerten und unverzollten Zigaretten in 100 Fällen) kann die Abnahme der Hemmschwelle zur Tatbegehung nach st. Rspr. strafmildernd berücksichtigt werden (vgl. BGH v. 22.12.2011 – 4 StR 581/11, StV 2012, 289; v. 15.5.1991 – 2 StR 130/91, NStZ 1991, 527; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 46 Rz. 34b).
Person des Täters: Nach § 54 Abs. 1 S. 3 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO ist aber auch die Person des Täters in die zusammenfassende Würdigung einzustellen. Deshalb ist bei hohen Gesamtstrafen zu prüfen, welche Auswirkungen diese Strafe auf das weitere Leben des Täters hat, wenn er etwa durch berufsrechtliche Sanktionen seine berufliche und wirtschaftliche Basis verliert. Dem Nachtatverhalten, insb. der Stabilisierung der Lebensverhältnisse und der Tilgung der verkürzten Steuern, kann erhebliche Bedeutung zukommen (vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rz. 1215).