Leitsatz
1. Überträgt ein Vermietungsunternehmer das Eigentum an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück zur Hälfte auf seinen Ehegatten, liegt darin eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn das Grundstück alleiniger Vermietungsgegenstand war.
2. Dieser Vorgang löst beim Vermietungsunternehmer keine Vorsteuerkorrektur gem. § 15a UStG aus.
3. Die durch Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück entstandene Bruchteilsgemeinschaft tritt gleichzeitig mit ihrer Entstehung gem. § 571 BGB a.F. in einen bestehenden Mietvertrag ein.
4. Der ursprüngliche Vermieter überlässt den in seinem Eigentum verbliebenen Grundstücksanteil der Bruchteilsgemeinschaft nicht zusätzlich unentgeltlich zur Nutzung (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 1 Abs. 1a, § 2, § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 15a Abs. 6a UStG 1993 in der 1998 geltenden Fassung, Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin, Alleineigentümerin eines bebauten, vermieteten Gewerbegrundstücks, übertrug die Hälfte davon unentgeltlich ihrem Ehemann. Die Grundstücksgemeinschaft vermietete das Grundstück – wie bisher an denselben Mieter – umsatzsteuerpflichtig weiter.
Das FA meinte, die Klägerin habe durch die unentgeltliche Übertragung der Miteigentumsanteile einen – gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG – steuerfreien Eigenverbrauch verwirklicht und die ihr verbleibenden Miteigentumsanteile unentgeltlich der Ehegatten-Grundstücksgemeinschaft überlassen, wodurch ein weiterer Eigenverbrauch verwirklicht worden sei (Folge: Vorsteuerberichtigung).
Die Klage hatte Erfolg (EFG 2005, 1392). Der BFH bestätigte das FG.
Entscheidung
Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Eine Vorabentscheidung des EuGH kam nicht in Betracht. Denn die entscheidungserhebliche Frage ließ sich anhand des EuGH-Urteils Zita Modes, die der BFH übernommen hat, ohne Weiteres beantworten.
Hinweis
1. Nach § 15a Abs. 6a Satz 1 UStG wird bei einer Geschäftsveräußerung der maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen. Das bedeutet, dass der Erwerber gem. § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG als Rechtsnachfolger des Übertragenden anzusehen und die Geschäftsveräußerung von einer Berichtigung nach § 15a UStG ausgenommen ist.
2. Eine Geschäftsveräußerung liegt auch vor, wenn ein Anteil an einem vermieteten Grundstück übertragen wird. Das gebietet die richtlinienkonforme Auslegung, denn nach der 6. EG-RL ist auch die Übertragung eines Teilvermögens so zu behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt; der Begünstigte wird als Rechtsnachfolger des Übertragenden angesehen.
3. Die Übertragung verpachteter oder vermieteter (Gewerbe-)Immobilien unter Fortführung des Pacht-/Mietvertrags durch den Erwerber ist eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG.
4. Auch eine Bruchteilsgemeinschaft, die ein Grundstück vermietet, kann unternehmerisch eigenständig in Erscheinung treten; die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (des Gegenstands der Gemeinschaft) kann als unternehmerische Tätigkeit nach den Regeln der Gemeinschaft ausgeführt werden. Der Bildung einer gesonderten Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) ist nicht erforderlich. Wenn nichts anderes vereinbart ist, handelt es sich bei der Vermietung von Miteigentum durch eine Bruchteilsgemeinschaft um eine Verwaltungsmaßnahme nach §§ 744, 745 BGB.
5. Zivilrechtlich kann zwar ein Grundstücksanteil nicht an eine Bruchteilsgemeinschaft übertragen werden. Die durch Übertragung eines Miteigentumsanteils entstehende Bruchteilsgemeinschaft tritt aber mit ihrer Entstehung in einen bestehenden Mietvertrag ein. Für die Frage, ob eine Geschäftsveräußerung vorliegt, ist abzustellen auf die Übertragung von "Unternehmen" oder "Unternehmensteilen" und darauf, ob die übertragenen materiellen oder ggf. immateriellen Bestandteile ein "Unternehmen oder einen Unternehmensteil" bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. "Begünstigter" der Übertragung eines Grundstücksanteils ist derjenige, der das Vermietungsunternehmen fortführt, also in einem solchen Fall die aus den Miteigentümern gebildete Bruchteilsgemeinschaft.
6. Der XI. Senat des BFH hatte in Fällen der vorliegenden Art ebenfalls eine – zusätzliche – unentgeltliche Nutzungsüberlassung des Grundstückseigentümers an den in seinem Eigentum verbliebenen Grundstücksanteilen an die Bruchteilsgemeinschaft angenommen. Diese Rechtsprechung hat der V. Senat ausdrücklich aufgegeben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.9.2007, V R 41/05