Leitsatz
1. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die als Kaufpreis bezeichnete Gegenleistung teilweise auch für andere Verpflichtungen des Veräußerers erbracht worden ist (hier: Verzicht auf Schadensersatzansprüche, Rücknahme von Klagen), die nicht den Tatbestand des § 23 Abs. 1 EStG erfüllen, ist der vereinbarte Kaufpreis insoweit aufzuteilen.
2. Für Zwecke der Aufteilung ist das veräußerte Wirtschaftsgut zu bewerten; übersteigt die Gegenleistung den Wert des veräußerten Wirtschaftsguts, spricht dies dafür, dass der übersteigende Teil der Gegenleistung nicht zum Veräußerungspreis gehört, sondern eine andere Verpflichtung entgolten oder ein Teil der Gegenleistung unentgeltlich zugewendet werden soll.
Normenkette
§ 23 Abs. 3, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 4, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger, der sich an einem Immobilienfonds mit Schrottimmobilien beteiligt hatte, ließ das erste Angebot zum Rückkauf seiner Beteiligung verstreichen und nahm erst das zweite Angebot im Jahr 2008 an. Er fiel deshalb in den Anwendungsbereich des zwischenzeitlich geänderten § 23 Abs. 3 Satz 1.
Entscheidung
Der BFH hat die in den Leitentscheidungen ausgeführten Grundsätze auch unter der geänderten Rechtslage aufrechterhalten (FG Köln, Urteil vom 1.6.2016, 14 K 545/14, Haufe-Index 9631033, EFG 2016, 1612).
Hinweis
Die Entscheidung steht in einer Reihe mit den Leitentscheidungen des BFH vom 6.9.2016 (IX R 27/15, BFH/NV 2017, 202, BFH/PR 2017, 75, BFHE 255, 178; IX R 44/14, BFH/NV 2017, 191, BFH/PR 2017, 76, BFHE 255, 148; IX R 45/14, BFH/NV 2017, 197, mit Anm. Ratschow,BFH/PR 2017, 77, BFHE 255, 162), in denen der BFH Grundsätze für die Besteuerung beim Rückkauf notleidender Immobilienfondsanteile (Schrottimmobilien) durch Initiatoren oder Zweckgesellschaften aufgestellt hat (noch nicht im BStBl veröffentlicht). Der Besprechungsfall nimmt vollständig auf die zitierten Entscheidungen Bezug. Das Urteil beruht aber teilweise auf einer anderen Gesetzesfassung und enthält dazu in den (nicht bindenden) Hinweisen Aussagen. Es ist (auf Bitten des BMF) nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt worden.
1. In den zitierten Urteilen hat der BFH u.a. (nicht bindende) Hinweise zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns erteilt und u.a. ausgeführt, der Veräußerungserlös sei nicht zu erhöhen um anteilige Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft (z.B. BFH, Urteil vom 6.9.2016, IX R 27/15, BFH/NV 2017, 202, Rz. 52, BFH/PR 2017, 75, BFHE 255, 178). Zwar könne zum Veräußerungspreis auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit gehören; die Anleger hätten jedoch (bei der gebotenen individuellen Betrachtung) für Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft nicht gehaftet. Aus § 23 Abs. 1 Satz 4 ergebe sich nichts anderes. Die Vorschrift betreffe allein die Steuerbarkeit (Abs. 1), nicht jedoch die Ermittlung des Veräußerungsgewinns (Abs. 3). Außerdem werde sie von Abs. 3 Satz 1 nicht in Bezug genommen. Dieser Hinweis betraf die bis zum 17.8.2007 geltende Gesetzesfassung. Sie lautete: "Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 ist …". Eine Verweisung auf Abs. 1 Satz 4 (Beteiligung) fehlte.
2. Der Streitfall betrifft die ab dem 18.8.2007 geltende Fassung der Vorschrift. Die Verweisung lautet nun: "Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 ist …" und schließt Abs. 1 Satz 4 ausdrücklich ein. Im Besprechungsurteil hat der Senat dazu ausgeführt (Rz. 16), dies ändere nichts daran, dass Abs. 1 die Steuerbarkeit und nicht die Technik der Gewinnermittlung betreffe. Der Gesetzgeber habe eine materielle Änderung nicht bezweckt, sondern selbst von einer redaktionellen Änderung gesprochen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.7.2017 – IX R 27/16