1. Allgemeines
Die späte Umsetzung der sog. "EU-Whistleblower-Richtlinie" in nationales Recht wird sich angesichts der Verflechtung von nationalem Recht und EU-Recht schon rein tatsächlich nicht auf den Schutz von Personen, die Verstöße gegen EU-Recht melden, beschränken lassen, sondern bedarf eines konsistenten allgemeinen Gesetzes zum Schutze von Hinweisgebern/-innen.
Deshalb erscheint es als ein Gebot politischer Klugheit, die deutsche Positionierung zu diesem Richtlinienvorschlag
- in Form eines vorbildlichen nationalen Whistleblower-Schutzgesetzes vorzunehmen und
- auf diesem Wege zugleich gegen den Richtlinienvorschlag – etwa seitens des Bundesrates – geltend gemachte Bedenken, sofern sie sich als berechtigt erweisen sollten, auszuräumen und
- aufzuzeigen, welches Maß an nationaler Regulierung für ein effektives Verbot von und Schutz vor Repressalien für Whistleblower nötig ist, aber auch als ausreichend erscheint.
Damit würde die Bundesregierung sich der Unterstützung des Deutschen Bundestages versichern, anstatt in Bundesregierungs- und koalitionsinternem, die deutsche Verhandlungsposition schwächendem Positionierungsgerangel weiter auf der Stelle zu treten. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sah sich deshalb bereits veranlasst, ihre Konzeption eines Whistleblower-Schutzgesetzes in aktualisierter und weiterentwickelter Fassung einzubringen und damit zugleich zur Positionsbildung für die Verhandlung des EU-Richtlinienvorschlags zum Schutze von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, beizutragen.
a) Vorliegender Gesetzentwurf
Der vorliegende Gesetzentwurf dient somit der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, die durch die Verordnung (EU) 2020/1503 geändert worden ist. Zugleich soll der Hinweisgeberschutz in der Bundesrepublik Deutschland wirksam und nachhaltig verbessert werden. Mit einem neuen Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen soll somit deren bislang lückenhafter und unzureichender Schutz ausgebaut werden. Hinweisgeber/-innen leisten nämlich einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen. Allerdings gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle, in denen sie infolge einer Meldung oder Offenlegung von Missständen benachteiligt wurden.
Ziel des nationalen Gesetzesvorhabens ist es daher, diese Benachteiligungen auszuschließen und Hinweisgeber/-innen Rechtssicherheit zu geben. Mit dem Gesetzentwurf soll somit das Ziel eines verbesserten Hinweisgeberschutzes mit den Interessen von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung, die zum Ergreifen von Hinweisgeberschutzmaßnahmen verpflichtet werden, so in Einklang gebracht werden, dass bürokratische Belastungen handhabbar bleiben.
b) Bisheriger Hinweisgeberschutz in Deutschland
Primäre Prägung durch Rechtsprechung: In Deutschland ist der Hinweisgeberschutz hierbei bislang vor allem durch die Rechtsprechung geprägt. Insbesondere die Gerichte der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit orientieren sich an den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
Grundsatzentscheidung des EGMR v. 21.7.2011: Der EGMR hatte sich im Jahr 2011 in einer Grundsatzentscheidung, in der es um die Meldung von Missständen in einem Pflegeheim ging, mit der Abwägung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen befasst und geurteilt, dass im konkreten Fall eine Verletzung von Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorlag.
Der EGMR
- bestätigte hierbei die Pflicht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu Loyalität, Zurückhaltung und Vertraulichkeit gegenüber dem Arbeitgeber und
- bezeichnete den Gang an die Öffentlichkeit als "letztes Mittel".
Für Hinweisgeber/-innen blieb allerdings angesichts der unscharfen Kriterien für ein zulässiges "Whistleblowing" bisher ein erhebliches Risiko, wenn sie einen Rechtsverstoß an externe Stellen melden.
Der nationale Gesetzentwurf soll daher:
- durch die Umsetzung des EU-Rechts und
- durch die Kodifizierung der durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze
letztlich Rechtsklarheit für Hinweisgeber/-innen darüber schaffen, wann und durch welche Vorgaben sie bei der Meldung oder Offenlegung von Verstößen geschützt sind. Dies ist gleichzeitig hilfreich und wichtig für die Stellen in Wirtschaft und Verwaltung, die mit einer Meldung umgehen und die richtigen Maßnahmen ergreifen müssen.
2. Ausgewählte Einzelaspekte der nationalen Gesetzesreform
(vgl. hierzu detailliert RegE zum HinSchG)
Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern/-innen waren eigentlich bereits bis zum 17.12.2021 zur systematischen Umsetzung verpflichtet. Die nationale Implementierungsfrist für Unternehmen mit Mitarbeitern/-innen mit ...