Leitsatz
Erwirbt ein Steuerpflichtiger eine Beteiligung an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft und veräußert diese zwei Wohnungen innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist nach Beitritt, ist über die Frage, ob er den Einkünftetatbestand des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht hat, nicht im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften zu entscheiden.
Normenkette
§ 39 Abs. 2, § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 EStG, § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO
Sachverhalt
Der Sachverhalt ergibt sich aus den einleitenden Bemerkungen. Auf die Besonderheiten des Erwerbs (hier durch Verwertung eines zur Sicherheit abgetretenen Anteils) kam es nicht an.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.1.2013, 5 K 3748/09, Haufe-Index 4748053) sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der vom Kläger eventuell verwirklichte Besteuerungstatbestand kann nur in seinem Einkommensteuerbescheid erfasst werden. Ob dies verfahrensrechtlich noch möglich ist, war für die Entscheidung ohne Bedeutung.
Hinweis
Findet bei einer Grundbesitz verwaltenden Personengesellschaft ein Gesellschafterwechsel statt und veräußert die Gesellschaft innerhalb von 10Jahren nach dem Gesellschafterwechsel ein Grundstück, stellen sich zwei Fragen. Materiell-rechtlich: Hat der nachträglich eingetretene Gesellschafter (anteilig) den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts verwirklicht, während bei den Gründungsgesellschaftern nach Ablauf der Haltefrist ein steuerfreier Vorgang anzunehmen ist? Verfahrensrechtlich: Wo ist der Vorgang zu erklären und zu erfassen, im Feststellungsverfahren für die Gesellschaft oder bei der Einkommensteuer des Gesellschafters?
1. Die Besprechungsentscheidung betrifft nur die zweite Frage.
a) Das Feststellungsverfahren steht unter striktem Gesetzesvorbehalt. Die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bildet die Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht isoliert angefochten werden können (§ 157 Abs. 2 AO, § 179 Abs. 1 AO). Ist ein gesondertes Feststellungsverfahren durchgeführt worden, obwohl hierfür eine gesetzliche Grundlage fehlt, hebt der BFH die (verfahrensrechtlich) zu Unrecht ergangenen Bescheide ersatzlos auf.
b) Als gesetzliche Grundlage kam nur § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO in Betracht. Der Tatbestand dieser Norm setzt allerdings voraus, dass die Gesellschafter den Besteuerungstatbestand gemeinschaftlich verwirklichen, und das war hier nicht der Fall.
c) Bekanntlich ist der Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäfts zweiaktig; er setzt einen Erwerb und eine Veräußerung voraus. Die gesonderte Feststellung des Veräußerungsgewinns gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO kommt folglich nur dann in Betracht, wenn die Gesellschafter beide Teilakte gemeinschaftlich verwirklicht haben.
d) Gemeinschaftlich verwirklicht war aber nur die Veräußerung des Grundstücks durch die Gesellschaft. Den Erwerbstatbestand hatten die Gesellschafter hingegen nicht gemeinschaftlich verwirklicht, denn für den Kläger konnte sich ein Erwerb nur aus einem anderen Sachverhalt ergeben als für die übrigen Gesellschafter.
2. Auf die materiell-rechtliche Frage, ob der Kläger überhaupt den Erwerbstatbestand erfüllt hat, kam es danach nicht an. Der BFH hat sich dennoch in einem obiter dictum dazu geäußert und die Annahme eines entgeltlichen Erwerbs der Wohnungen vermittels des Erwerbs eines Gesellschaftsanteils als "naheliegend" bezeichnet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.1.2014 – IX R 9/13