Leitsatz
Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt.
Sachverhalt
Der Kläger ist Alleinerbe seines Ende 2013 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte die Doppelhaushälfte G1, die vom Vater bewohnt wurde. Der Kläger bewohnt die direkt angrenzende Doppelhaushälfte G2. Nach dem Tod des Vaters verband der Kläger die Doppelhaushälften G1 und G2 baulich zu einer Einheit. Nach Abschluss der umfangreichen Renovierungsarbeiten nutzt er diese seit August 2016 als eine Wohnung. Der Kläger beantragte für die Doppelhaushälfte G1 die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab, da der Kläger die geerbte Doppelhaushälfte nicht unverzüglich selbst genutzt habe.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Der Erwerber muss die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Angemessen ist ein Zeitraum von 6 Monaten nach dem Erbfall. Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst danach aufgenommen, muss der Erwerber glaubhaft machen, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Nach diesen Grundsätzen ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger die hinzuerworbene Doppelhaushälfte unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt hat. Der Entschluss wird erstmals durch die im Dezember 2013 erfolgte Besichtigung durch den Bauunternehmer, der Anfang 2014 mit den Arbeiten für die Zusammenlegung der beiden Doppelhaushälften beauftragt wurde, nach außen dokumentiert. Zudem belegen die Aufwendungen des Klägers aus dem Januar 2014 für die Zusammenlegung der Netzwerktechnik und Hausanschlüsse, dass der Kläger bereits kurze Zeit nach dem Erwerb die Verbindung der beiden Wohnungen nicht nur beabsichtigte, sondern auch mit der Umsetzung dieser Absicht begonnen hat. Der Kläger hat die Gründe für die Verzögerung der Selbstnutzung sowie die Umstände, aus denen er diese Gründe nicht zu vertreten hat, hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht.
Hinweis
Das für die Steuerpflichtigen vorteilhafte Urteil ist zu begrüßen, da es die starre Frist von 6 Monaten verlängert, wenn die Verzögerung dem Steuerpflichtigen nicht vorgeworfen werden kann. In ähnlich gelagerten Fällen ist aber dringend anzuraten, eventuelle Verzögerungen genau zu dokumentieren und ggf. bautechnische Beratung zur Vermeidung vorwerfbaren Verhaltens schriftlich einzuholen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 30.06.2022, 3 K 3184/17 Erb