Dr. Gernot Brähler, Dr. Christian Lösel
Leitsatz
Es erscheint zweifelhaft, ob sich Kapitalgesellschaften von natürlichen Personen und Personengesellschaften so wesentlich unterscheiden, dass ihre Behandlung als Gewerbebetrieb allein aufgrund der Rechtsform und ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit im Einzelnen sachlich gerechtfertigt ist, und ob deswegen § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG als verfassungsgemäß angesehen werden kann. Bei unterstellter Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG könnte die Wiederherstellung eines verfassungsgemäßen Zustands nicht durch Aufhebung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG, sondern nur durch eine Heranziehung aller Betriebe zur Gewerbesteuer erreicht werden, die nach der geltenden Rechtslage nicht gewerbesteuerpflichtig sind. Einer GbR, an der neben Rechtsanwälten auch eine Steuerberatungs-GmbH beteiligt ist, steht vor diesem Hintergrund kein Anspruch nach Art. 3 Abs. 1 GG zu, wie ein Freiberufler, der seine Tätigkeit nicht in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft ausübt, von der Gewerbesteuer befreit zu werden.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer GbR. Mit Wirkung zum 1.1.1995 wurden Anteile an eine Wirtschafts- und Steuerberatung GmbH (StB-GmbH) abgetreten. Die Klägerin erklärte in den Streitjahren 1995 bis 1998 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach einer Betriebsprüfung erließ das beklagte Finanzamt allerdings Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1995 bis 1998. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, sie werde zu Unrecht zur Gewerbesteuer herangezogen, weil sie einen freien Beruf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübe. Nach dem sog. "Klinik-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss v. 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, BStBl 2000 II S. 160) dürfe die Umsatzsteuerpflicht eines Unternehmens nicht allein von seiner Rechtsform abhängig gemacht werden. Dies müsse für die Gewerbesteuer entsprechend gelten, so dass die StB-GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ausschließlich Rechtsanwälte und/oder Steuerberater seien, nicht gem. § 2 Abs. 2 GewStG allein wegen ihrer Eigenschaft als Kapitalgesellschaft gewerbesteuerpflichtig sein dürfe. Sei aber die StB-GmbH nicht gewerbesteuerpflichtig, könne auch ihre Beteiligung an der Klägerin diese nicht gewerbesteuerpflichtig machen. Der Beklagte hält die Klage für unbegründet, da eine Übertragung der Grundsätze der zur Umsatzsteuer ergangener Entscheidung des BVerfG auf die Gewerbesteuer nicht in Betracht komme, weil eine Kapitalgesellschaft gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kraft Gesetzes nur gewerbliche Einkünfte erzielen könne, selbst wenn diese Einkünfte nicht unter eine der in § 2 Abs. 1 EStG geregelten Einkunftsarten falle.
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist in der Sache zu Recht zur Gewerbesteuer herangezogen worden. Zwar können auch Personengesellschaften, zu der sich Angehörige eines freien Berufs zum Zwecke der gemeinsamen Ausübung ihrer freiberuflichen Tätigkeit zusammengeschlossen haben, freiberuflich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig sein, wenn ihre Gesellschafter in ihrer Verbundenheit selbstständig und nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen und alle Gesellschafter als freiberufliche Mitunternehmer zu qualifizieren sind. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit nicht von der Gesellschaft selbst erfüllt werden können, müssen sie in der Person der Gesellschafter gegeben sein. Eine GbR ist daher nur dann gewerbesteuerpflichtig, wenn nicht alle Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Hiernach ist die Klägerin gewerbesteuerpflichtig, weil die StB-GmbH die Merkmale eines freien Berufes nicht erfüllt. Trotz dieser gefestigten Rechtsprechung hat der Senat Zweifel, dass § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG verfassungsgemäß ist, da der o. g. zur Umsatzsteuer ergangene Beschluss des BVerfG Rechtsgrundsätze enthält, deren Übertragung auf den Streitfall derartige Zweifel begründet erscheinen lassen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Frage, inwieweit bei steuerlichen Fragestellungen die alleinige Anknüpfung an die Rechtsform sinnvoll und zulässig sei. Trotz der danach weiterhin bestehenden Bedenken des Senats gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kann die vorliegende Klage aber keinen Erfolg haben. Denn die Wiederherstellung eines verfassungsgemäßen Zustands kann nach Überzeugung des Senats nicht durch Aufhebung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG, sondern nur durch eine Heranziehung aller Betriebe zur Gewerbesteuer erreicht werden, die nach der geltenden Rechtslage nicht gewerbesteuerpflichtig sind. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Hinweis
Das Urteil ist nur als zwischenzeitlich gültig anzusehen, da u. E. der BFH die Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG feststellen wird. Dieses Urteil ist nur ein Beispiel von vielen, die die Willkürlichkeit und Systemwidrigkeit der Gewerbesteuer dokumentieren ...