Leitsatz
Ein Dialysezentrum, in welchem die Dialysepatienten ambulant behandelt werden, ist weder ein Krankenhaus i.S. des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG a.F. noch eine Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen noch eine Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen i.S. des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG a.F.
Normenkette
§ 3 Nr. 20 Buchst. b und Buchst. d GewStG a.F., § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG
Sachverhalt
Die klagende GmbH betrieb in den Streitjahren (2004 bis 2009) zwei Dialysezentren; sie beschäftigte Krankenfachkräfte und -pfleger, die die Patienten während der Dialyse betreuten.
Das FA sah die Voraussetzungen der Befreiung des § 3 Nr. 20 GewStG als nicht erfüllt an und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide.
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (FG Münster, Urteil vom 25.8.2014, 9 K 106/12 G, Haufe-Index 7560209, EFG 2015, 315).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück.
Hinweis
1. § 3 Nr. 20 GewStG ist eine sachliche (tätigkeitsbezogene) Steuerbefreiung; sie ist (abgesehen von Buchst. a, der sich auf Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts bezieht) rechtsformneutral. Ab Erhebungszeitraum 2015 sind auch bestimmte Einrichtungen zur ambulanten oder stationären Rehabilitation erfasst (neu: Buchstabe e).
2. Die Klägerin unterhält als GmbH kraft Rechtsform einen Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) und unterliegt damit der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 GewStG). Der "Einstieg" in die von ihr begehrte Begünstigung ist allerdings nur eröffnet, wenn die konkret im Gesetz angeführten Einrichtungen (Krankenhaus u.a.) vorliegen; die dort verwendeten Begriffe sind (jedenfalls teilweise) dem Sozialrecht entlehnt und dann nach sozialrechtlichen Maßstäben auszulegen. Ist diese Hürde absolviert, sind die einrichtungsspezifischen einengenden Tatbestandsvoraussetzungen der Buchst. b (Krankenhaus), c (Altenheime u.a.) oder d (Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen) zu erfüllen.
3. Die Klägerin betreibt auf der Grundlage der einschlägigen sozialrechtlichen Maßgaben keine begünstigte Einrichtung, sodass ihr die Befreiung nicht zusteht.
Ein Krankenhaus liegt nicht vor, da die Dialysezentren keine Einrichtungen sind, in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können (es geht nach sozialrechtlichen Maßstäben um die Möglichkeit ganz- oder teilstationärer Behandlung, was eine Versorgungsmöglichkeit erfordert).
Auch wenn die technische Ausstattung der Dialysezentren mit entsprechenden Fachabteilungen von Krankenhäusern vergleichbar ist, begründet dies nicht den Status einer teilstationären Einrichtung. Es "hilft" auch nicht, dass Einrichtungen, in denen sowohl eine stationäre als auch eine ambulante Versorgung (z.B. in Form eines krankenhäuslichen Dialysezentrums) stattfindet, auch hinsichtlich der ambulant erbrachten Leistungen befreit sind, sofern ein wesentlicher Teil der Gesamtleistungen auf die stationären (einschließlich der teilstationären) Leistungen entfällt. Es besteht eine gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Formulierung der Begünstigungsvoraussetzungen und die unterschiedliche Kostenstruktur ist eine zulässige Differenzierung.
Es liegen auch keine Einrichtungen "zur" vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen vor, auch wenn dieser Personenkreis ebenfalls zu den Dialyse-Patienten zählte und diese Personen während des Aufenthalts in der Einrichtung Hilfestellung in dem für die Inanspruchnahme der angebotenen nichtpflegerischen Leistungen erforderlichen Maß erhalten. Die Aufnahme in die Einrichtung erfolgt gerade nicht zum Zweck der Erbringung pflegerischer Leistungen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.1.2017 – I R 74/14