Leitsatz
1. Findet bei einem integrierten Energieversorgungsunternehmen eine Entflechtung statt, aufgrund derer das Versorgungsnetz an eine andere Gesellschaft verpachtet wird, ist eine Gewerbesteuerzerlegung auf die Netzgemeinden im Hinblick auf die bei dem Energieversorgungsunternehmen verbliebenen Geschäftsbereiche nur dann vorzunehmen, wenn das Energieversorgungsunternehmen in den einzelnen Netzgemeinden weiterhin selbst Betriebsstätten im Sinne des § 12 AO unterhält.
2. Eine mehrgemeindliche Betriebsstätte im Sinne der §§ 28 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1, 30 GewStG setzt voraus, dass jeder der auf mehrere Gemeinden entfallenden Teile dieser Einheit die Voraussetzungen des Betriebsstättenbegriffes erfüllt.
3. Aus einem Pachtvertrag, mit dem der Pächterin die Netzhoheit über ein Versorgungsnetz übertragen wird, ergibt sich auch dann keine Verfügungsbefugnis der Verpächterin über das Netz, wenn der Verpächterin Mitwirkungsrechte bei der Aufstellung und Durchführung des Wirtschaftsplans vorbehalten werden.
4. Der Teilbetriebsfiktion in § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 3 EnWG kommt keine Aussagekraft im Hinblick auf das Bestehen der für den Betriebsstättenbegriff notwendigen Verfügungsmacht an den von der Entflechtung betroffenen Geschäftseinrichtungen zu.
5. Aus der Verpflichtung des Netzbetreibers zum Abschluss eines Transportvertrages folgt keine Verfügungsbefugnis des Transportkunden über das Netz.
6. Eine Mitunternehmerstellung des Energieversorgungsunternehmens beim Netzbetreiber begründet im Hinblick auf das Energieversorgungsgeschäft keine Betriebsstätten des Energieversorgers in den Betriebsstätten des Netzbetreibers.
Normenkette
§ 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 6, § 11 GewStG, § 12 AO, § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 3 EnWG, § 3 Abs. 2 und 3 GasNZV
Sachverhalt
Die Klägerin handelt mit Erdgas über Rohrnetze. Ihre Hauptverwaltung befand sich 2009 in gemieteten Räumen in C, auf die 100 % der Arbeitslöhne entfielen.
Mit Inkrafttreten des EnWG vom 7.7.2005 wurden Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, den Netzbetrieb von anderen Geschäftsbereichen zu trennen (sog. Unbundling). Dazu verpachtete die Klägerin ihr Gasnetz ab 1.1.2007 an die konzernzugehörige D‐GmbH & Co. KG, an der sie mit 1,5 % beteiligt war. Hierdurch kam es zur Trennung von Netz und Vertrieb. Das wirtschaftliche Eigentum an den Netzen verblieb bei der Klägerin. Der Pächterin ist die Netzbewirtschaftung eingeräumt, sie entscheidet im Rahmen des Wirtschaftsplans, zu dem Informations- und Mitspracherechte der Klägerin bestehen, über Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des Netzes. Die Klägerin blieb Inhaberin der Konzessionen zur Benutzung der öffentlichen Verkehrswege für die Gasleitungen.
Ertragsteuerlich wurden die verpachteten Wirtschaftsgüter ab dem Jahr 2007 als Sonderbetriebsvermögen der Klägerin bei der D‐GmbH & Co. KG behandelt, sodass eine Verpachtung zwischen Sonderbetriebsvermögen und Gesamthand stattfand.
Weiterhin bestand zwischen der D‐GmbH & Co. KG und der Klägerin ein Lieferantenrahmenvertrag, der den Zugang zu den Gasnetzen regelte. Derartige Verträge bestehen auch mit anderen Transportkunden.
Das FA zerlegte den GewSt-Messbetrag 2009 zunächst auf die beigeladenen Gemeinden. Dabei wurden die Anschaffungskosten der Ortsnetze mit 45 %, die gemeindebezogenen Umsatzerlöse mit 45 % und die Arbeitslöhne mit 10 % gewichtet. Nach einer Betriebsprüfung hob das FA den Zerlegungsbescheid auf.
Die Klage blieb ohne Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.12.2018, 5 K 5039/18, Haufe-Index 14174272, EFG 2020, 1327).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision durch einstimmigen Beschluss (§ 126a FGO) als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Der Messbetrag ist zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhalten worden sind (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG).
2. Der Begriff der Betriebsstätte bestimmt sich auch für gewerbesteuerliche Zwecke nach § 12 AO. Erforderlich ist eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche und von einer gewissen Dauer, die der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.
3. Die Einrichtung oder Anlage muss der Tätigkeit unmittelbar dienen; erforderlich ist eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung. Gebäude, die an einen Dritten vermietet oder verpachtet werden, begründen deshalb keine Betriebsstätte des Überlassenden.
Eine Betriebsstätte in der Betriebsstätte eines Dritten setzt voraus, dass der Unternehmer befugt ist, die Einrichtung oder Anlagen nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen, und dort eigene Arbeitnehmer beschäftigt oder seinen Weisungen unterliegende Arbeitnehmer oder Subunternehmer tätig werden.
4. Bei vollautomatisch arbeitenden Einrichtungen kann das Tätigwerden des Unternehmens mit der Geschäftseinrichtung ausnahmsweise ausreichen. Befinden sich vollautomatisch arbeitende Anlagen in fremden Gebäuden, kann eine Betriebsstätt...