Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Liegt der Schwerpunkt der Berufstätigkeit eines Steuerpflichtigen in der umfangreichen Informationsbeschaffung rund um spezielle aktuelle Gesetzgebungsvorhaben und der diesbezüglichen Berichterstattung gegenüber seinen Auftraggebern, erzielt er damit Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er übt weder eine schriftstellerische noch eine wissenschaftliche oder eine journalistenähnliche Tätigkeit aus.
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, der ein Magisterstudium in den Fächern Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und neuere Geschichte abgeschlossen hat, war zunächst u.a. als politischer Referent, Vorstandsassistent eines Verbandes und in dieser Eigenschaft als Pressereferent und Redakteur tätig. Später machte er sich unter der Bezeichnung "Politikberater für Gesetzgebung" selbstständig. Er arbeitete für Verbände, einen Wirtschaftskonzern und einzelne Anwaltskanzleien. Er war im Besitz eines Presseausweises, der es ihm ermöglichte, wie ein Parlamentsjournalist an den öffentlichen Gremiensitzungen und an Pressekonferenzen teilzunehmen.
Das FA erfasste seine Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und erließ Gewerbesteuermessbescheide. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Berlin-Brandenburg vom 15.3.2011 , 8 K 15227/08 – kein Haufe-Index, Entscheidung liegt uns [noch] nicht vor).
Mit der Revision machte der Kläger geltend, er sei als "begleitender Berichterstatter zum Gesetzgebungsverfahren" oder als eine Art "wissenschaftlicher Parlamentskorrespondent" tätig. Dabei berichte er im Rahmen fortlaufender regelmäßiger Mitteilungen oder Berichte über rechtspolitische Entwicklungen und deren Hintergründe. Um diese Entwicklungen zu erkennen, beschaffe und analysiere er die Informationen aus dem Gesetzgebungsprozess und arbeite sie sodann in der Form von kurzen Vermerken oder in sich geschlossenen Artikeln für seine Auftraggeber auf.
Entscheidung
Die Revision blieb ebenfalls erfolglos.
Der BFH beurteilte die Tätigkeit des Klägers nicht als wissenschaftlich. Zu Recht habe das FG darauf abgestellt, dass die Arbeiten des Klägers im Wesentlichen eine Zusammenfassung bestimmter Vorgänge enthalten und dass die eigenen Bewertungen nicht die Qualität einer wissenschaftlichen Arbeit erreicht hätten.
Die Tätigkeit des Klägers sei auch weder schriftstellerisch noch journalistisch oder journalistenähnlich gewesen, weil der Kläger sich mit seinen Ausarbeitungen nicht an die Öffentlichkeit, sondern nur an die jeweiligen Auftraggeber gewandt habe.
Hinweis
1. Es stellt sich hin und wieder die Frage, ob es den "Typus des freien Berufs" oder den "freien Beruf schlechthin" gibt. Bei der Auslegung des § 18 EStG spielt das eine Rolle, weil dort von ähnlichen Berufen die Rede ist. Die Ähnlichkeit wird in der Rechtsprechung indes kleinteilig verstanden: Geht es darum, ob eine Berufstätigkeit der eines Katalogberufs ähnlich ist, gibt es keine Gruppenähnlichkeit anhand gleicher charakteristischer Merkmale, wie sie den Katalogberufen insgesamt oder überwiegend gemeinsam sind (wie etwa eine akademische oder eine andere besonders anspruchsvolle und zeitaufwändige Ausbildung oder ein mit der Berufsausübung nach allgemeiner Anschauung verbundener sozialer Status). Der Grund dafür liegt darin, dass der Gesetzgeber die Katalogberufe abschließend aufgezählt hat und die ähnlichen Berufe deshalb speziell einem dieser Katalogberufe ähnlich sein müssen.
2. Eine beratende Tätigkeit kann einzelne Elemente von Katalogberufen aufweisen, die auch bei einer wissenschaftlichen schriftstellerischen oder journalistischen Tätigkeit vorkommen, ohne dass die Beratungstätigkeit indes eine Ähnlichkeit zu einem dieser Katalogberufe aufweist. Dann sitzt der beratend tätige Steuerpflichtige steuerrechtlich sozusagen zwischen allen Stühlen. Da eine Ähnlichkeit zu einem der Katalogberufe nicht besteht, erzielt er gewerbliche Einkünfte.
3. Für eine Beratungstätigkeit kann zu prüfen sein, ob es sich um eine wissenschaftliche, schriftstellerische oder journalistische (oder journalistenähnliche) Tätigkeit handelt.
a) |
Wissenschaftliche Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG setzt eine anspruchsvolle, besonders qualifizierte Arbeit voraus, die geeignet ist, grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten in ihren Ursachen zu erforschen, zu begründen und in einen Verständniszusammenhang zu bringen. Sie erfordert wissenschaftliche Kenntnisse und Methodik im Rahmen einer schöpferischen oder forschenden Tätigkeit (sog. reine Wissenschaft) oder einer Anwendung von Forschungserkenntnissen auf konkrete Vorgänge (angewandte Wissenschaft). Hingegen wird eine wissenschaftliche Tätigkeit verneint, wenn sie in einer praxisorientierten Kenntnisvermittlung oder Beratung besteht. |
b) |
Schriftstellerisch tätig wird derjenige Steuerpflichtige, der eigene Gedanken mit den Mitteln der Sprache schriftlich für die Öffentlichkeit niederlegt. |
c) |
Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Berufstätigkeit des Journalisten a... |