Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Eine Personengesellschaft, die ihren Kunden im Rahmen einheitlicher Aufträge nicht nur Übersetzungen in Sprachen liefert, die ihre Gesellschafter beherrschen, sondern – durch Zukauf von Fremdübersetzungen – regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang auch in anderen Sprachen, ist gewerblich tätig.
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GbR. Sie betrieb ein Ingenieurbüro für technische Übersetzungen und hatte eine weitere Betriebsstätte in Spanien. Die Gesellschafter der Klägerin waren E und F. E war Diplom-Übersetzerin, F staatlich geprüfter Techniker (NC-Programmierer), Diplom-Ingenieur und Fachübersetzer.
Die Klägerin erstellte für ihre Kunden technische Handbücher, die sie in verschiedene Sprachen übersetzte. Dabei setzte sie auch ein Translation-Memory-System (TMS) ein, in dem sie übersetzte Texte speicherte.
Die Klägerin fertigte auch Übersetzungen in Sprachen an, die ihre Gesellschafter nicht beherrschten. Für diese, aber auch für Übersetzungen von Sprachen, die die Gesellschafter beherrschten, setzte sie Fremdübersetzer ein. Der Anteil der Fremdleistungen an den Umsatzerlösen lag in den Streitjahren zwischen 26 % und 56 %.
Das FA stellte die Einkünfte der Klägerin erklärungsgemäß als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit fest. Die Feststellungsbescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Betriebsprüfung erließ das FA Gewerbesteuermessbescheide. Es beurteilte wegen des nicht unerheblichen Umfangs der Fremdleistungen die Übersetzungstätigkeit der Klägerin als gewerbliche Tätigkeit. Einspruch und Klage (FG Köln, Urteil vom 24.10.2012, 15 K 4041/10, Haufe-Index 5337198, EFG 2013, 1768) gegen die Gewerbesteuermessbescheide blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision aus den unter den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Unterhält eine GbR ein Übersetzungsbüro, setzt dies in Bezug auf eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG voraus, dass die Gesellschafter über Kenntnisse in den Sprachen verfügen, auf die sich die Übersetzungstätigkeit erstreckt.
Zwar kann sich ein Angehöriger eines freien Berufes nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen. Die Qualifikation der Gesellschafter muss jedoch den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfassen.
2. Es lag danach im vorliegenden Fall eine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG vor, die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG zur Gewerbesteuerpflicht führt. Die fremdsprachlichen Defizite der Gesellschafter konnten auch nicht durch den Einsatz des Translation-Memory-Systems (TMS) oder durch eine sorgfältige Auswahl der Fremdübersetzer ausgeglichen werden. Denn die Gesellschafter konnten die Richtigkeit der jeweiligen Übersetzungen nicht überprüfen.
3. Ist danach die Tätigkeit der Klägerin von vornherein gewerblich, kommt es auf die Geprägerechtsprechung nicht an. Auch die Abfärberegelung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG findet keine Anwendung.
4. Die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge war auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwirkt. Denn die Feststellungsbescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Klägerin konnte somit nicht darauf vertrauen, dass es bei der Qualifizierung ihrer Einkünfte als freiberuflich nach einer Außenprüfung verbleibt.
5. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das FA die Einkünfte der Klägerin für ein Jahr erklärungsgemäß ohne Vorbehalt festgesetzt hat. Aufgrund der Abschnittsbesteuerung ergibt sich daraus keine abschließende Entscheidung über die Qualifizierung der Einkunftsart in anderen Feststellungszeiträumen.
6. Soweit die Klägerin Amtshaftungsansprüche wegen einer Verschleppung der Betriebsprüfung geltend macht, hat sie diese vor den Zivilgerichten zu verfolgen. Dies begründet keinen Vertrauenstatbestand, der die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags ausschließt.
7. Der Erlass des Gewerbesteuermessbescheids verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Die Behinderung eines der Gesellschafter der Klägerin führt zu keiner Ungleichbehandlung. Auch nichtbehinderte Menschen unterliegen bei einer gewerblichen Tätigkeit der Gewerbesteuer.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.02.2017 – VIII R 45/13