Leitsatz
Die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die Veräußerung von Immobilien sind für die Zuordnung zum gewerblichen Grundstückshandel oder zur Vermögensverwaltung unerheblich; dies gilt auch für wirtschaftliche Zwänge wie z.B. Druck der finanzierenden Bank und Androhung von Zwangsmaßnahmen.
Die – durch die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb von etwa fünf Jahren indizierte – (zumindest) bedingte Veräußerungsabsicht beim Erwerb kann nur durch objektive Umstände widerlegt werden, nicht aber durch Erklärungen des Steuerpflichtigen über seine Absichten. In Betracht kommen vornehmlich Gestaltungen des Steuerpflichtigen in zeitlicher Nähe zum Erwerb, die eine spätere Veräußerung wesentlich erschweren oder unwirtschaftlicher machen.
Normenkette
§ 15 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin hatte von 1992 bis 1995 ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen und Gewerberäumen errichtet. Nach Fertigstellung wurden zwei der Wohnungen verbilligt an ihre beiden Kinder und die anderen acht auf unbestimmte Dauer an Dritte vermietet. Die Gewerberäume nutzte ihr Ehemann, ein selbstständiger Handwerksmeister.
Der Bau wurde etwa 8 % teurer als veranschlagt und fast vollständig fremdfinanziert. Sieben Monate nach Fertigstellung wurde das Mehrfamilienhaus in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die Bank drängte die Klägerin zum Verkauf von Wohnungen, zumal die Gewinne ihres Ehemanns rückläufig waren. Sie verkaufte mit Gewinn jeweils eine Wohnung im Oktober 1997, März 1999, April 1999, Mai 1999, Juni 1999 und April 2000.
Das FG (FG Köln, Urteil vom 26.10.2006, 6 K 394/04, Haufe-Index 1644130, EFG 2007, 185) gab der Klage statt. Die Klägerin habe keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Weder der von der Bank ausgeübte Druck noch Äußerungen der Klägerin, das Objekt zur Alterssicherung einsetzen zu wollen, widerlegten eine bedingte Veräußerungsabsicht zur Zeit des Erwerbs, zumal Schwierigkeiten infolge der knappen Finanzierung absehbar waren, auch der Erlös aus einem gewinnbringenden Veräußerungsgeschäft zur Altersvorsorge genutzt werden kann und sich die durch Veräußerungserlöse teilweise abgezahlten verbleibenden Objekte besser zur Fruchtziehung eigneten als die Gesamtheit der hoch belasteten Wohnungen.
Hinweis
1. Dem Rechtsstreit liegt die gewohnte Konstellation zugrunde, dass sich der Steuerpflichtige gegen die Besteuerung von Gewinnen aus gewerblichem Grundstückshandel wehrt. Die Anzahl derartiger Streitigkeiten ist zurückgegangen; möglicherweise wegen der Klärung vieler einschlägiger Rechtsfragen, sinkenden Immobilienpreisen und § 35 EStGi.d.F. ab 2001. Zugenommen haben dagegen Fälle, in denen Steuerpflichtige die Anerkennung von Verlusten aus gewerblichem Grundstückshandel begehren und die Verwaltung § 23 EStG für einschlägig hält (z.B. BFH, Urteil vom 27.05.2009, X R 39/06, BFH/NV 2009, 1790).
2. Die Besprechungsentscheidung bewegt sich auf gesichertem Grund: Wer innerhalb von etwa fünf Jahren mehr als drei Objekte herstellt und verkauft, erfüllt damit die objektiven Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels. Der Fünfjahreszeitraum beginnt in Herstellungsfällen nicht bereits mit dem Abschluss der Bauverträge, sondern erst mit der Fertigstellung.
3. Der Erwerb der Grundstücke muss in zumindest "bedingter Veräußerungsabsicht" erfolgt sein (BFH, Urteil vom 03.07.1995, GrS 1/93, Haufe-Index 65389, BStBl II 1995, 617; und vom 10.12.2001, GrS 1/98, BFH/NV 2002, 587, BFH/PR 2002, 171). Ob diese stets durch die zeitlich zusammenhängenden Umsätze indiziert wird oder durch besondere Umstände widerlegt werden kann, ist innerhalb des BFH umstritten. Darauf brauchte das Besprechungsurteil aber nicht einzugehen. Da die konkreten Gründe des Verkaufs nicht besagen, dass der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen verkauft hätte, kann der von der finanzierenden Bank ausgeübte Druck, Wohnungen zu verkaufen, die bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs (!) nicht widerlegen.
4. Wie wird die durch das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze indizierte innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht widerlegt? Nur durch objektive Umstände, nicht durch Reden! Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen können einen Grundstückshandel weder begründen (BFH, Urteil vom 18.08.2009, X R 25/06, BFH/NV 2009, 1892, BFH/PR 2009, 467) noch vermeiden. Gegen eine bedingte Veräußerungsabsicht sprechende Indizien sind z.B. die Einräumung von Nießbrauchsrechten, da diese einen Verkauf erschweren, oder eine langfristige Finanzierung oder Vermietung, wenn diese im Veräußerungsfall zusätzliche finanzielle Belastungen auslösen würden (z.B. Vorfälligkeitsentschädigung bei Darlehensablösung, "Auskaufen" des Mieters aus einer nicht als Renditeobjekt geeigneten Eigentumswohnung oder Inkaufnahme einer vermietungsbedingten Wertminderung).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.12.2009 – III R 101/06